Ein Blick durchs Schlüsselloch der Papstwahl in Rom

Das Konklave: Geheimnis, Freude und viele Regeln im Vatikan

Veröffentlicht am 05.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Papstwahl, das Konklave, steht vor der Tür. Was das Ganze mit Weihnachten zu tun hat, wie für Sicherheit gesorgt wird und warum Johannes Paul II. die Wahl des neuen Papstes beeinflusst? Katholisch.de gibt einen Einblick in das, was in den nächsten Tagen passiert.

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Geheimnis, Rauch und "gaudium magnum" – das ist das Rezept für ein Konklave. In Rom weiß man sich zu inszenieren. Dass der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden waltet, wird schon beim ersten Auftritt des Pontifex deutlich, wenn der Kardinalprotodiakon auf die Mittelloggia der Petersbasilika tritt und dem Engel aus der Weihnachtsgeschichte gleich dem Volk "eine große Freude" verkündet. Nicht weniger geheimnisvoll ist, was dieser Ankündigung voraus geht: das Konklave.

Die Papstwahl ist ein ausgeklügeltes Verfahren, das im Laufe der Zeit zahlreiche Veränderungen erfuhr. Die derzeit gültige Wahlordnung geht auf Papst Johannes Paul II. zurück und wurde von seinem Nachfolger Benedikt XVI. ergänzt. Dabei wurden vor allem die Strafen für den Bruch der Geheimhaltung verschärft und das Wahlverfahren angepasst. In der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis (1996) erklärt Johannes Paul II., dass sich aus der Würde des Amtes die besondere Pflicht ergebe, sich um die eigene Nachfolge zu kümmern. Daher trage er die Sorge "für den Erlaß weiser und geeigneter Regeln […] um die würdige Vorbereitung und den geordneten Ablauf der Versammlung der Wähler zu lenken, denen aufgrund der Vakanz des Apostolischen Stuhles das wichtige und schwierige Amt übertragen worden ist, den Papst von Rom zu wählen". Genaue und klare Normen seien unerlässlich, "damit die Wahl selbst in einem möglichst würdigen und dem äußerst verantwortungsvollen Amt entsprechenden Rahmen ablaufen kann, das der Gewählte kraft göttlicher Einsetzung mit seiner eigenen Zustimmung auf sich wird nehmen müssen".

Eingeschlossene und Ausgeschlossene

Das Konklave verdanke seine Widerstandsfähigkeit kontinuierlichen Anpassungen "gegen den Verschleiß der Zeit", erklärt der Kirchenhistoriker Alberto Melloni. Der Brauch des Einschließens der Papstwähler ("conclave", lat. "mit Schlüssel" verschlossener Raum) entstand im 13. Jahrhundert als Folge mehrjähriger Sedisvakanzen und ergebnisloser Wahlen. Das Zweite Konzil von Lyon (1274) entschied, Papstwähler zukünftig für die Dauer der Wahl einzuschließen, ihre Verpflegung zu rationieren und so der göttlichen Fügung auf die Sprünge zu helfen. Die Zahl der Einzuschließenden schwankte im Laufe der Zeit. Sixtus V. beschränkte die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle auf 70; Johannes XXIII. auf 75 und Paul VI. auf die noch heute gültigen 120. Dies ist als Richtwert zu verstehen: Es steht dem Papst frei, wie viele Kardinäle er tatsächlich ernennt. Aktuell besteht das Kardinalkollegium aus mehr als 250 Kardinälen; 135 davon waren zu Beginn der Sedisvakanz unter 80 Jahren und sind damit wahlberechtigt. Alle, die über dieser Altersgrenze liegen, wählen automatisch nicht mit. Das sei kein Zeichen der Geringschätzung, erklärt Johannes Paul II., sondern solle den Männern in einem "solch verehrungswürdigen Alter nicht noch die zusätzliche Last" aufbürden, "jemanden zu wählen, der die Herde Christi in einer den Erfordernissen der Zeit gemäßen Weise führen muß". Aufgabe der im wahrsten Sinne ausgeschlossenen Kirchenfürsten ist es, für die Wähler zu beten. Daran solle sich auch das Kirchenvolk beteiligen.

Bild: ©picture alliance/AP Photo

Die Papstwahl ist ein ausgeklügeltes Verfahren, das im Laufe der Zeit zahlreiche Veränderungen erfuhr. Die derzeit gültige Wahlordnung geht auf Papst Johannes Paul II. zurück.

Das Konklave ist jedoch nicht nur ein geistlicher Vorgang. Mit Tod oder Rücktritt des Papstes beginnen die praktischen Vorbereitungen für die Wahl seines Nachfolgers. Während dieser Vorbereitungszeit von 15 bis 20 Tagen versammeln sich die Kardinäle täglich zu sogenannten Generalkongregationen, dem Vorkonklave. In diesen Zusammenkünften besprechen die Kirchenmänner ihre Vorstellungen über die Zukunft der Kirche sowie aufkommende Fragen und Probleme. Dabei wird auch der genaue Beginn des Konklaves festgelegt, die Zimmer im vatikanischen Gästehaus ausgelost und zwei Prediger ausgewählt, die "wohlüberlegte Betrachtungen über die Probleme der Kirche in jenem Augenblick und über die erleuchtete Wahl des neuen Papstes" halten.

Nach dem sie ihre Zimmer zugelost bekommen haben, werden die Kardinäle im 1996 gebauten Gästehaus Santa Marta untergebracht. Dort gibt es 106 Apartments und 22 Einzelzimmer. Nach seiner Wahl 2013 zog Papst Franziskus nicht wie seine Vorgänger in den Apostolischen Palast, sondern blieb in Suite 201 des Gästehauses wohnen. Der Weg vom Gästehaus zur Sixtinischen Kapelle muss mit Beginn des Konklaves so organisiert werden, dass die Kardinäle niemanden treffen. Überhaupt haben sich die Kardinäle während des Konklaves "jeglicher brieflicher und telefonischer Korrespondenz oder auch jeglicher Kommunikation durch andere Mittel mit Personen, die mit dem Ablauf der Wahl nichts zu tun haben, enthalten". Also: Zeitunglesen, Twittern oder WhatsApp sind tabu.

Zimmer im Gästehaus Santa Marta gewohnt.
Bild: ©KNA

Im Gästehaus Santa Marta werden die Zimmer unter den Kardinälen verlost.

Jedem der "zufällig einem der wahlberechtigten Kardinäle" begegnet, ist es "absolut verboten […] unter welcher Form, mit welchem Mittel oder aus welchem Grund auch immer" mit ihm ins Gespräch zu kommen. Seit Benedikt XVI. trifft Regelbrecher die Exkommunikation als Tatstrafe – also sofort mit Begehung der Tat. Zuvor galt, dass der neue Papst über die Strafe zu entscheiden hatte. In die Nähe der Papstwähler dürfen nur kommen: der Sekretär des Kardinalkollegiums, diverse Zeremoniare, Ordensleute der päpstlichen Sakristei, Priester, um die Beichte der Kardinäle zu hören, und Ärzte für gesundheitliche Notfälle. Zudem werde man "für eine entsprechende Anzahl an Personen Sorge tragen müssen, die für den Tischdienst und für die Sauberhaltung zur Verfügung stehen", betont Johannes Paul II. Um die Abgeschlossenheit des Konklaves zu gewährleisten, wird die Sixtinische Kapelle auf Ausspäh-Technik untersucht. Es seien mit "Hilfe zuverlässiger und technisch kompetenter Personen, genaue und strenge Kontrollen vorzunehmen, damit in jenen Räumen nicht auf heimtückische Weise audiovisuelle Hilfsmittel zur Wiedergabe und Übertragung nach außen installiert werden."

Messe, Einzug und erster Wahlgang

Gut gesichert kann das Konklave beginnen: Am Morgen des ersten Konklavetages feiern die Kardinäle in der Petersbasilika eine Messe. Für diese Eröffnungsmesse gibt es ein eigenes Messformular Pro eligendo Papa. Am Nachmittag ziehen sie dann, die traditionelle Anrufung des Heiligen Geistes, das Veni Creator, singend, durch den Apostolischen Palast in die Sixtina. Seit 1447 wurde der Papst mit nur einer Ausnahme in Rom gewählt (Pius VII. wurde 1800 in Venedig gewählt); seit der Wahl Leos XIII. 1878 findet das Konklave in der Sixtinischen Kapelle statt. Rechtlich war das bis 1996 jedoch keine Notwendigkeit, da der neue Papst bis dahin am Sterbeort seines Vorgängers zu wählen war. Johannes Paul II. legte jedoch die Sixtina als verpflichtenden Wahlort fest. Das Ambiente – der Papst dachte wohl an Michelangelos Jüngstes Gericht – trage dazu bei, "das Bewußtsein der Gegenwart Gottes zu fördern, vor dessen Angesicht ein jeder eines Tages treten muß, um gerichtet zu werden". Diese Sakralisierung des Wahlortes überrascht Melloni. Er vermutet eher praktische Gründe. Mit der Festlegung Roms als Ort der Papstwahl, habe sich der reisefreudige Pole auf dem Stuhle Petri schließlich keine Gedanken mehr über etwaige Konklave-Logistik am anderen Ende der Welt machen müssen.

Nachdem die singenden Kardinäle in die Sixtinische Kapelle gelangt sind, legen sie einen feierlichen Eid ab. Dabei schwören sie, sich an die Verfahrensregeln zu halten, im Falle einer Wahl zu bemühen das Amt "in Treue auszuüben" und "unermüdlich die geistlichen und weltlichen Rechte sowie die Freiheit des Heiligen Stuhles zu wahren und zu verteidigen". Zudem versprechen sie Verschwiegenheit über alles was mit der Wahl des Papstes zusammenhängt. Benedikt XVI. verschärfte vor seinem Rücktritt 2013 noch einmal die Eidesformel, die nun explizit die Exkommunikation für die Verletzung der Geheimhaltung nennt.

Wahlurnen des Konklave
Bild: ©picture alliance / abaca | ABACA

Solche Wahlurnen kommen in der Sixtinischen Kapelle zum Einsatz

Anschließend heißt es "Extra Omnes": alle hinaus! In den heiligen Hallen verbleiben der päpstliche Zeremonienmeister, die Papstwähler und ein Kleriker, "um den wahlberechtigten Kardinälen die zweite Betrachtung […] über die schwerwiegende Aufgabe vorzutragen, die ihnen obliegt, und folglich über die Notwendigkeit, mit rechter Gesinnung zum Wohl der universalen Kirche zu handeln". Wenn auch sie die Sixtina verlassen haben, entscheiden sich die Kardinäle, ob sie noch an diesem Nachmittag einen ersten Wahlgang vornehmen wollen.

Am ersten Tag gehen die Kardinäle maximal einmal zur Urne, an den darauffolgenden Tagen je zweimal am Morgen und zweimal am Nachmittag. Jeder Wahlgang ist in drei Phasen eingeteilt: erst werden die Stimmzettel verteilt, dann drei Wahlhelfer, drei Infirmarii, die die Stimmen erkrankter Kardinäle einsammeln, sowie drei Wahlprüfer ausgelost, und anschließend wird gewählt. Um die Wahl möglichst geheim zu halten, sollen die Kardinäle den Namen ihres Auserwählten mit verstellter Schrift notieren. Dann folgt der eigentliche Wahlgang. Nacheinander gehen die Kardinäle mit erhobenem Wahlzettel zum Altar, legen ihn auf einen Teller, bekennen, dass sie den gewählt haben, von dem sie glauben, dass er "nach Gottes Willen gewählt werden sollte" und werfen ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Nachdem alle ihre Stimme abgegeben haben, werden die Zettel gemischt, entfaltet und ausgezählt.

Die Stimmauszählung

Dabei holt der erste Wahlhelfer-Kardinal einen Zettel aus der Urne, liest schweigend den Namen, gibt ihn dem zweiten, der ebenfalls den Namen des Gewählten liest und den Zettel an den dritten weitergibt. Dieser liest den Namen dann laut vor. Dann folgt der nächste Zettel. Alle Zettel werden auf einer Schnur aufgefädelt. Am Ende der Auszählung werden die Stimmen zusammengezählt, kontrolliert und anschließend verbrannt. Früher gab man den Zetteln nasses Stroh oder Teer bei, um den Rauch zu färben. Das funktionierte oft nur leidlich, auf dem Petersplatz musste gerätselt werden, welche Farbe der Rauch hat. Heute hilft man sich daher mit Chemie. Dazu stehen in der Sixtina zwei Öfen bereit: In einem Ofen werden wie bisher die Wahlzettel verbrannt und im zweiten zusätzlich Kartuschen für die Farbe. Für weißen Rauch sorgt Kaliumchlorat, Laktose und das Baumharz Kolophonium. Schwarz wird der Rauch mit einer Mischung aus Kaliumperchlorat, Anthracen und Schwefel. Auf dem Petersplatz wird es dann spannend: Hat einer der Kandidaten die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht und die Wahl angenommen, ist der Rauch weiß und die Glocken der Basilika läuten. Bleiben die Glocken stumm und ist der Rauch schwarz, beginnt das Wahlprocedere von neuem.

Konklave-Vorbereitungen in der Sixtinischen Kapelle
Bild: ©KNA

Sixtina: Arbeiter stellen die Öfen für die Papstwahl auf.

Hat nach drei Tagen keiner der Kandidaten die nötige Zweidrittelmehrheit erreicht, wird die Abstimmung für einen Tag unterbrochen. Diese Pause soll für zwanglose Gespräche genutzt werden. Dabei kommt es dem ranghöchsten Kardinaldiakon zu, eine kurze geistliche Ansprache zu halten. Dem folgen sieben weitere Wahlgänge. Bleiben auch sie ohne Ergebnis, hält am dritten Tag der ranghöchste Kardinalspriester eine Ansprache. Nach weiteren sieben ergebnislosen Abstimmungen folgt die nächste Pause und eine Ansprache des ranghöchsten Kardinalbischofs. Gibt es auch dann noch kein Ergebnis, hat Benedikt XVI. in seinem Schreiben Normas nonnullas 2013 festgelegt, dass nach dem 34. Wahlgang eine Stichwahl durchgeführt wird, bei der die beiden zur Wahl stehenden jedoch kein Wahlrecht haben.

Bevor es auf den Balkon geht

Sobald ein Kandidat die nötige Mehrheit auf sich versammelt hat, werden der Sekretär des Kardinalskollegiums und der Zeremonienmeister hinzugerufen. Der Kardinaldekan oder, falls dieser aufgrund seines Alters nicht am Konklave teilnehmen konnte, der ranghöchste und -älteste Kardinalbischof (da der Kardinaldekan und sein Stellvertreter, der Kardinalsubdekan, bereits über 80 sind, ist das bei diesem Konklave Kardinal Pietro Parolin) wendet sich dann an den Gewählten: "Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an?" Tut das der Gewählte, ist er sofort Papst – außer in dem möglichen, aber praktisch undenkbaren Fall, dass er noch kein Bischof ist. Die Bischofsweihe würde in diesem Fall sofort anschließend gespendet. Auf die Frage nach der Wahlannahme folgt die nächste Frage: "Wie willst Du Dich nennen?" Der Zeremonienmeister und zwei weitere Zeremoniare fertigen dann ein Schriftstück an, das die Wahl beglaubigt und den neuen Namen festhält. In dieser Zeit wechselt der Gewählte seine rote gegen die weiße Soutane. Nachdem die Kardinäle dem Neugewählten gehuldigt und Gehorsam versprochen haben, wird dem wartenden Volk die Wahl von der Mittelloggia des Petersdoms verkündet – Gaudium Magnum.

Von Benedikt Heider