Theologe: Papst Franziskus war ein Prophet des Friedens
"Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens, er ist immer eine Niederlage für die Menschheit." Bereits im September 2013, angesichts der unmittelbaren Kriegsgefahr in Syrien, machte Papst Franziskus in einer Gebetswache deutlich, dass er Krieg in all seinen Formen ablehnt: In Jesu Leben und Sterben "wurde auf die Gewalt nicht mit Gewalt reagiert, auf den Tod nicht mit der Sprache des Todes geantwortet", betonte der Papst. "Im Schweigen des Kreuzes verstummt das Getöse der Waffen und kommt die Sprache der Versöhnung, des Verzeihens, des Dialogs und des Friedens zu Wort."
Während seines gesamten Pontifikats verurteilte Franziskus den Krieg in all seinen Facetten: von der sozialen Ungerechtigkeit, die Kriege entstehen lässt, über die Rüstungsindustrie, den Waffenhandel, die Atomwaffen, die Abschreckungspolitik, die gezielten Tötungen, den mangelnden Schutz der Zivilbevölkerung, den Missbrauch der Religionen bis hin zu den ökologischen Katastrophen, die Rüstung und Krieg unweigerlich nach sich ziehen.
Franziskus stellte sogar den Verteidigungskrieg in Frage – und auch wenn er das Recht auf Selbstverteidigung anerkannte, machte er zugleich deutlich, dass dies vor allem gewaltfreie Verteidigung sowie diplomatische und politische Eindämmung der Aggression bedeutet. Seine Stimme gegen Krieg und für alternative Konfliktlösungen wird uns fehlen.
"Gewalt bringt mehr Gewalt hervor"
Papst Franziskus präsentierte und praktizierte Gewaltfreiheit als Alternative zu Gewalt und Krieg. Er sagte: "Gewalt bringt mehr Gewalt hervor, Hass erzeugt mehr Hass und Tod führt zu weiterem Tod. Wir müssen diesen scheinbar unvermeidlichen Kreislauf durchbrechen" (Fratelli Tutti 227). Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, so argumentierte der Papst, sei die Praxis der Gewaltfreiheit die bessere, effizientere und konsequente Option.
Wie können wir das erreichen? In seinen zahlreichen Texten und Ansprachen über den Frieden, vor allem in der Enzyklika "Fratelli tutti" (2020), gab uns Papst Franziskus eine Reihe von Werkzeugen zur Friedensstiftung an die Hand. Erstens müssen wir uns auf die Seite der Kriegsopfer stellen. Franziskus sagte: "Treten wir in Kontakt mit den Wunden, berühren wir das Fleisch der Verletzten. […] Achten wir auf die Wahrheit dieser Gewaltopfer, betrachten wir die Realität mit ihren Augen" (FT 261). Zweitens müssen wir die Menschlichkeit sowohl der Opfer als auch der Täter anerkennen. Selbst die Verantwortlichen für Kriege sind Menschen, die zu Reue und Umkehr fähig sind. Auch sie verkörpern eine "Verheißung, die immer einen Hoffnungsschimmer zurücklässt" (FT 228).

Stefan Silber ist Lehrstuhlvertreter für Systematische Theologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Von 2018 bis 2022 war er Professor für Systematische Theologie an der Katholischen Hochschule in Paderborn, von 2021 bis 2025 Vertretungsprofessur für Systematische Theologie an der Universität Vechta. Gemeinsam mit Stefanie A. Wahl und Thomas Nauerth gab er 2022 das Buch "Papst Franziskus: Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats" heraus.
Der Papst lud uns auch dazu ein, "inneren Frieden" als Heilmittel und Gegengift gegen zwischenmenschlichen und sozialen Hass zu pflegen. Er rief zur Güte auf, die "tiefe Freude schenkt, auch inmitten von Schwierigkeiten und Unverständnis. Sogar angesichts erlittener Beleidigungen ist die Güte keine Schwäche, sondern eine wirkliche Kraft, die fähig ist, auf Vergeltung zu verzichten" (FT 243). Güte muss mit Barmherzigkeit verbunden sein und Barmherzigkeit mit dem Streben nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit wiederum ist nur durch Barmherzigkeit möglich und erfordert ein aktives Gedächtnis und den Willen zur Wahrheit.
Papst Franziskus war sich bewusst, dass die Umsetzung dieser Werte und die gewaltfreie Lösung von Konflikten keine leichte Aufgabe sind. Im Gegenteil: "Der soziale Frieden erfordert harte Arbeit, Handarbeit" (FT 217).
Harte Arbeit mit Gottes Hilfe möglich
Diese harte Arbeit ist für den Papst mit Gottes Hilfe möglich. Es ist ein spirituelles Unterfangen. Es ist inspiriert von seinem Glauben an den Schöpfer, der jeden Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Alle sind wir Brüder und Schwestern – die Opfer, die Täter und die Zuschauer. Der Schöpfer hat uns auch zu Geschwistern der gesamten Schöpfung gemacht. Auch deshalb müssen wir uns Krieg und Rüstung widersetzen, weil sie die Natur zerstören.
Papst Franziskus gründete sein Friedensengagement auch auf seinen Glauben an Jesus Christus, der Gottes Liebe zur Schöpfung und zur Menschheit verkörperte – Jesus, der gewaltfrei Widerstand gegen Gewalt und Ungerechtigkeit leistete und den am meisten leidenden Mitmenschen nahe war. Jesus, der die Ausübung von Gewalt verweigerte, bis zur Konsequenz, am Kreuz selbst Opfer von Gewalt zu werden.
„Alle, die gewaltfrei Frieden suchen, können sich von Papst Franziskus ermutigt fühlen, Krieg und alle Vorbereitungen darauf ebenso abzulehnen wie er.“
Franziskus glaubte aber auch an die Menschlichkeit: Niemand muss Christ sein, um an der universellen brüderlichen und schwesterlichen Gemeinschaft der Menschheit teilzuhaben. Jeder Mensch ist nach seiner Überzeugung aufgerufen, für andere Menschen und für die gesamte Schöpfung zu sorgen.
Schließlich lehrte Papst Franziskus nicht nur Gewaltfreiheit und Frieden, sondern praktizierte sie auch. In zahlreichen Konflikten weltweit setzte sich der Papst unermüdlich für Verhandlungen, Waffenstillstände und humanitäre Hilfen ein. Als erster Papst in der Geschichte traf er 2016 in Havanna den Patriarchen der Russischen Orthodoxie. Seit den ersten Tagen des Ukraine-Krieges nutzte Papst Franziskus diese Kontakte als Grundlage für Friedensgespräche mit Patriarch Kyrill und anderen russischen Führungspersönlichkeiten.
Beispiel für den Dialog mit anderen Kirchen
Der Papst besuchte Palästina und Israel, Hiroshima und Nagasaki, den Südsudan und viele Staaten mit muslimischer Mehrheit. Diese Wahl der Reiseziele zeigt: Nur von dem Ort der Menschen aus, die unter Gewalt leiden, kann man die richtige Perspektive gewinnen, um gerechten Frieden und den Weg dorthin zu verstehen.
Franziskus setzte zudem ein Beispiel für den Dialog mit anderen Kirchen und Religionen im Interesse des Friedens. Er unterzeichnete 2019 mit dem Großimam Ahmad Al-Tayyib aus Kairo ein gemeinsames Dokument "über die menschliche Geschwisterlichkeit, für den Weltfrieden und das Zusammenleben". Beide erklärten entschieden, dass Religionen niemals zu Krieg, Hass, Feindseligkeit und Extremismus aufstacheln oder zu Gewalt oder Blutvergießen aufrufen dürfen.
Wir werden die Stimme von Papst Franziskus vermissen. Gleichzeitig hat der Papst durch sein Streben nach Frieden in diesen zwölf Amtsjahren all jene ermutigt, die selbst ihre Stimme erheben. "Pax Christi International" hat sich dieser Mission bereits spürbar angenommen. Alle, die gewaltfrei Frieden suchen, können sich von Papst Franziskus ermutigt fühlen, Krieg und alle Vorbereitungen darauf ebenso abzulehnen wie er.