Interview mit Pater Miguel Fritz

Deutscher Vikar in Paraguay: Ernennung durch Franziskus wie Testament

Veröffentlicht am 02.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Mariscal Estigarribia ‐ Die Ernennung von Pater Miguel Fritz zum Apostolischen Vikar in Paraguay gehörte zu den letzten Ernennungen von Papst Franziskus vor seinem Tod. Im katholisch.de-Interview spricht der Oblatenmissionar über das kirchliche Leben in seinem Vikariat und Vergleiche mit Deutschland.

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Seit 40 Jahren lebt Pater Miguel Fritz in Paraguay – den größten Teil davon im Apostolischen Vikariat Pilcomayo in der Region des Gran Chaco. Dabei hatte der Ordensmann aus der Gemeinschaft der Oblatenmissionare zunächst gar nicht vor, in die Mission zu gehen, erzählt er im katholisch.de-Interview. Außerdem spricht er über den größten Unterschied zwischen einem Bischof in seinem Vikariat und einem Bischof in Deutschland. 

Frage: Pater Fritz, Ihre Ernennung zum Apostolischen Vikar war eine der letzten Ernennungen, die Papst Franziskus vor seinem Tod vorgenommen hat. Was macht das mit Ihnen?

Fritz: Das berührt mich wirklich. Das ist fast wie ein Testament. Wir wussten hier nicht, wie lange wir auf einen neuen Bischof warten müssen und waren sehr froh, dass es Papst Franziskus doch noch geschafft hat. Und es hat jetzt mich getroffen.

Frage: Sie waren zwei Jahre Apostolischer Administrator und zuvor schon mehrere Jahre Generalvikar in Ihrem Vikariat. Eine Überraschung war die Ernennung dann nicht wirklich, oder?

Fritz: Nein. Viele Leute haben mich schon gefragt: "Na, wann wirst du es endlich?" Ich bin jetzt seit über 35 Jahren hier im Chaco und kenne die Situation gut. Und ich habe bereits sehr gut mit meinem Vorgänger, Bischof Lucio Alfert, zusammengearbeitet. Deshalb war es keine große Überraschung, das stimmt schon.

Frage: Ändert sich durch den Tod von Papst Franziskus für Sie konkret etwas?

Fritz: Der Termin für die Bischofsweihe im Juli ist schon festgelegt. Da wird der neue Papst dann mit Sicherheit schon bekannt sein. Deshalb hat der Tod des Papstes auf die Ernennung keinen direkten Einfluss.

Frage: Papst Franziskus war das erste Kirchenoberhaupt aus Südamerika. Wie wurde sein Tod bei Ihnen im Vikariat von den Gläubigen aufgenommen?

Fritz: Wir haben am Abend seines Todestages eine bewegende Messe hier in der Kathedrale gefeiert. Bei den Menschen wurden viele Erinnerungen wach, weil viele ihn bei seinem Paraguay-Besuch 2015 erlebt haben und es bekannt ist, dass er ein Herz für dieses Land hatte. Deshalb fühlen sich viele Gläubige hier sehr mit Franziskus verbunden.

„In Deutschland legt man auch mehr Wert auf das äußere Erscheinungsbild. Gerade hier im Chaco kann man nicht ständig mit Soutane herumlaufen.“

—  Zitat: Pater Miguel Fritz

Frage: Noch mehr als mit früheren Päpsten?

Fritz: Der Besuch von Papst Johannes Paul II. hier im Chaco vor 37 Jahren ist natürlich unvergessen – auch für mich. Ich hatte den Papst vorher schon einmal getroffen und habe die Reise mit vorbereitet. Daher ist sie mir auch besonders im Gedächtnis geblieben. Außerdem hat er den ersten Heiligen aus Paraguay ernannt. Auch zu ihm hat das paraguayische Volk daher eine enge Bindung.

Frage: Sie haben bereits Ihren Vorgänger, Bischof Lucio Alfert, angesprochen. Er kommt – genau wie Sie – aus Deutschland. Ist das ein Vorteil?

Fritz: Das ist sicher der Fall. Abgesehen von unserer Herkunft und der Tatsache, dass wir beide zur Ordensgemeinschaft der Oblaten gehören, verbindet uns auch eine tiefe Freundschaft. Deswegen bin ich sehr glücklich, dass er – trotz angeschlagener Gesundheit – für meine Bischofsweihe zugesagt hat.

Frage: Was ist aus Ihrer Sicht denn der größte Unterschied zwischen einem Bischof in Pilcomayo und einem Bischof in Deutschland?

Fritz: Unser Bischofshaus ist hier direkt an einer Straße und die Türen sind immer offen. Wer also vorbeikommen will, um den Bischof zu begrüßen und kurz mit ihm zu sprechen, kann das jederzeit tun. Als ich vor einigen Jahren zurück in Deutschland war, begleitete mich ein Mitbruder aus Paraguay. Als ich mit ihm in Mainz das Bischofshaus besucht habe, wollte er auch den Bischof begrüßen. Das ging dann nicht so einfach (lacht). In Deutschland legt man auch mehr Wert auf das äußere Erscheinungsbild. Gerade hier im Chaco kann man nicht ständig mit Soutane herumlaufen.

Frage: Wie muss ich mir denn das kirchliche Leben bei Ihnen grundsätzlich vorstellen?

Fritz: Ich stamme aus einem Diaspora-Gebiet und bin es schon aus meiner Kindheit gewohnt, dass ein Pfarrer für viele Dörfer in der Umgebung zuständig ist und es nicht in jedem Dorf eine Kirche gibt. Das ist hier bei uns auch so – aber die Distanzen sind größer: Unser Vikariat ist 125.000 Quadratkilometer groß – also in etwa so groß wie Österreich und die Schweiz zusammen – und sechs Pfarreien. Man muss also durchaus mal 200 Kilometer fahren, um in einer Pfarrei die entlegensten Gemeinden zu erreichen.

Frage: Was bedeutet das für das Gemeindeleben vor Ort?

Fritz: Die Menschen sind es gewohnt, dass die Gottesdienste von einem Gottesdienstleiter, einem Katechisten oder einem Kommunionhelfer gefeiert werden. Wenn es gut läuft, kommt einmal im Monat ein Priester zur Messe vorbei. Es gibt aber auch Gemeinden, die aufgrund von Überschwemmungen derzeit von der Außenwelt abgeschnitten sind. Dort war in diesem Jahr noch kein Priester, weil es einfach nicht möglich ist, dorthin zu kommen.

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Frage: Die Gesichter vor Ort sind also Laiinnen und Laien und keine Priester?

Fritz: Ja, genauso ist das. Ich habe auch schon oft mit Bischöfen aus Deutschland darüber gesprochen, dass zu oft die Pfarrei im Mittelpunkt steht. Auch in Deutschland werden die Pfarreien immer größer. Der Fokus sollte aber viel mehr auf den Gemeinden vor Ort liegen. Dort, wo die Menschen sich kennen, sollen sie sich gemeinsam treffen und Gottesdienst feiern. Natürlich wäre es ideal, wenn sie dabei jedes Mal eine Eucharistie feiern könnten. Wir versuchen, immer mehr Kommunionhelfer auszubilden, damit die Menschen wenigstens kommunizieren können. Aber das Wesentliche ist, dass die Menschen sich versammeln und Gemeinde erleben.

Frage: Was sind die großen Herausforderungen, vor denen Sie derzeit in Ihrem Vikariat stehen?

Fritz: Es fehlt uns an Personal. Wir haben 350 Katechisten und zehn Priester für das gesamte Vikariat. Da könnten wir noch ein paar mehr gebrauchen. Wir haben einen einzigen Seminaristen, einen Indigenen, worüber wir uns sehr freuen. Aber auch hier würden wir uns über mehr Nachwuchs freuen. Und auch beim Finanziellen fehlt es vorne und hinten. Ich war vor einigen Tagen in unserer alten Kirche, die früher unsere Kathedrale war. Dort müsste dringend etwas gemacht werden – zumal dort das Grab meines Vorvorgängers Bischof Pedro Shaw liegt, für den derzeit ein Seligsprechungsprozess läuft. Zu meiner Bischofsweihe im Juli kommen einige Bischöfe, die dann auch sein Grab besuchen wollen. Es ist traurig, wenn sie dann in eine Kirche kommen, der man ansieht, dass sie dringend eine Renovierung bräuchte.

Frage: Sie sind Mitglied der Ordensgemeinschaft der Oblaten-Missionare. Das Wort "Mission" klingt – gerade aus westlicher Perspektive – heute oftmals ungewohnt bis übergriffig. Wie sollte Mission aus Ihrer Sicht heute aussehen?

Fritz: Als ich in Deutschland studiert habe, habe ich gar nicht darüber nachgedacht, einmal in die Mission zu gehen. Heute weiß ich, dass ich ein völlig überholtes Missionsverständnis hatte. In den ersten Jahren nach meiner Ankunft hat ein paraguayischer Mitbruder mich dann zu einer Jugendmission mitgenommen. Dort habe ich gemerkt: Diese Jugendlichen sind begeistert. Sie gehen von Haus zu Haus, grüßen die Familien, beten mit ihnen und haben kein Problem damit, eine Schriftlesung zu machen oder Gottesdienst zu feiern. Dabei habe ich ganz neu gelernt, was es heißt, Missionar zu sein. Mir gibt das jedes Mal neuen Mut und neue Energie, wenn ich von Haus zu Haus gehen und mit den Menschen sprechen kann.

Frage: Haben Sie denn als Apostolischer Administrator und bald Vikar überhaupt Zeit dafür, von Haus zu Haus zu gehen und mit den Menschen über Gott zu sprechen?

Fritz: Systematisch Tag für Tag schaffe ich das leider nicht. Aber ich habe immer mal wieder die Gelegenheit oder kann mich bei diesen Jugendmissionen anschließen. Und ich merke, dass mir das einfach guttut.

Frage: Was kann die Kirche in Deutschland Ihrer Meinung nach von der Kirche in Ihrem Vikariat lernen?

Fritz:  Dass sie viel mehr auf die Gemeinden vor Ort achtet. Ich finde es zum Beispiel ein tolles Zeichen, wenn Menschen sich zusammenschließen und sagen: Unsere Kirche geben wir nicht ab, wir übernehmen die Verantwortung und sorgen dafür, dass hier wieder Leben reinkommt. Man muss dafür nicht immer gleich einen Verein oder eine Stiftung gründen. Es geht darum, dass vielleicht jemand einen Schlüssel bekommt und sich dann mit anderen gemeinsam trifft, um die Kirche zu putzen oder Gottesdienst zu feiern. Da kommen dann am Anfang vielleicht nur zehn Leute, aber so fängt Gemeindeaufbau an.

Von Christoph Brüwer