Merkel: Papstworte haben mich total inspiriert
Der verstorbene Papst Franziskus hat die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Krisensituation "total inspiriert". Sie habe ihn kurz vor dem G20-Gipfel im Jahr 2017 besucht, nachdem der damals frisch gewählte US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen zu wollen, sagte Merkel am Donnerstag auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover. Sie habe Franziskus gefragt, was man machen solle, wenn 19 Staaten wollten, einer aber nicht. "Er hat dann ganz spontan zu mir gesagt: biegen, biegen, aber aufhören, bevor es bricht." Den Rat habe sie sich zu Herzen genommen.
Die G20-Staaten hätten unerwartet ein gemeinsames Kommuniqué zu Papier bringen können. "Wir sind nicht zerbrochen, 19 Staaten mussten aber die bittere Pille schlucken, dass der zweitgrößte Verursacher von CO2-Emissionen sich dem Pariser Abkommen nicht angeschlossen hat." Alle weiteren Themen habe man gemeinsam tragen können, "weil wir nicht in die Kontroverse gegangen sind", so Merkel. "Es war keine ideale Lösung, aber eine, so dass es weitergehen konnte."
Sie beschäftige bis heute die Frage, ob sie in ihrer Amtszeit genug für den Klimaschutz getan habe. Tatsache bleibe, dass die Welt trotz aller Mühen dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht gerecht werde.
Die CDU-Politikerin berichtete davon, wie ihr Vertrauen in Gott und Menschen in politischen Krisen geholfen habe. "Zu wissen, dass Situationen nicht ausweglos sind", habe ihr Kraft gegeben. Ein Vertrauen in Gott und die Menschen hätten ihr ihre Eltern mitgegeben, so Merkel. "Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich dieses Gemüt beibehalten konnte." Merkels Vater war evangelischer Pfarrer in der DDR.
Vertrauen auf das "Wir"
Merkel erklärte, der Satz "Wir schaffen das" – ausgesprochen während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 – sei ihr oft um die Ohren gehauen worden. Sie habe ihn ausgesprochen im Vertrauen auf das "Wir"; dass es viele Menschen in Deutschland geben würde, die in einer solchen Notsituation helfen würden. "Und die gab es. Lassen wir uns das nicht nehmen, darauf können wir stolz sein", sagte Merkel vor einem applaudierenden Publikum.
Nach wie vor müsse aber daran gearbeitet werden, die flüchtenden Menschen abzuweisen, die kein Recht auf Bleibe in Deutschland hätten. "Natürlich wussten wir, dass wir nicht jeden Tag 10.000 Menschen aufnehmen können, aber die, die damals vor der Tür standen", betonte Merkel.
Merkel (70) war von 2005 bis 2021 Bundeskanzlerin. Auf Einladung des Kirchentags in Hannover legte die Tochter eines evangelischen Pfarrers eine Bibelstelle des Markusevangeliums aus und gab dabei Einblicke in ihre politischen Entscheidungsfindungen und persönlichen Wertvorstellungen. Sie sagte zudem, dass sie sich nach wie vor frage, ob sie selbst genug für den Klimaschutz getan habe. (KNA)
Update 01.05., 15 Uhr: Ergänzt um weitere Aspekte.