Staatsanwaltschaft hatte seit 2022 gegen Kölner Erzbischof ermittelt

Keine Anklage gegen Kardinal Woelki – aber Geldauflage

Veröffentlicht am 06.05.2025 um 13:06 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Seit November 2022 hatte die Staatsanwaltschaft gegen Kardinal Woelki ermittelt – zunächst wegen möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen und dann zusätzlich wegen des Verdachts auf Meineid. Nun wurde das Verfahren eingestellt.

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Die Staatsanwaltschaft Köln erhebt keine Anklage gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Das Verfahren wurde eingestellt mangels hinreichenden Tatverdachts und gegen Auferlegung einer Geldzahlung von 26.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Das teilte die Behörde am Dienstag mit, einen Tag vor Beginn des Konklaves in Rom. Woelki, der derzeit wegen der Papstwahl im Vatikan ist, begrüßte in einer ersten Reaktion, dass das Verfahren "zu einem Schlusspunkt" gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft hatte seit November 2022 gegen den Erzbischof ermittelt – wegen möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen und wegen des Verdachts auf Meineid. Im Zuge dessen wurden mehrere Objekte des Erzbistums und von dessen E-Mail-Dienstleister durchsucht. Zudem wurden Handy und Laptop des Kardinals vorübergehend sichergestellt und die Daten "gespiegelt". Gesichtet wurden neben Whats-App-Chats alleine rund 800.000 E-Mails mit über 500.000 Anhängen.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen besteht "der hinreichende Verdacht", dass Woelki in presserechtlichen Zivilverfahren vor dem Landgericht Köln am 4. August 2022 "fahrlässig eine falsche Versicherung an Eides Statt abgegeben und am 28. März 2023 einen fahrlässigen Falscheid abgelegt hat", so die Staatsanwaltschaft wörtlich. In beiden Fällen sei dies aber fahrlässig geschehen und kein vorsätzliches Handeln zu erkennen. Hinsichtlich zweier weiterer eidesstattlicher Versicherungen vom 6. und 12. Mai 2021 sei ein hinreichender Tatverdacht dagegen nicht zu begründen. Woelki akzeptiert laut Erzbistum das Verfahrensende mit Geldauflage. Damit verzichte er auf sein Recht, die Vorhaltungen der Statsanwaltschaft vor Gericht klären zu lassen. Alle Aussagen stehen im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Presserechtsstreitigkeiten zwischen dem Erzbischof und der "Bild"-Zeitung, in denen sich Woelki überwiegend durchgesetzt hat. Die Artikel, die aus Sicht des Kardinals in ehrverletzender Weise über ihn berichten, betreffen seinen Umgang mit zwei Missbrauchsfällen. In der Sache geht es darum, ab wann Woelki nähere Kenntnisse über die Fälle hatte.

Beförderter Priester

In dem einen Fall handelt es sich um einen von Woelki beförderten Priester, der 2001 einen damals nicht strafbaren sexuellen Kontakt zu einem 16-jährigen Prostituierten hatte. Der Erzbischof wehrt sich gegen die Darstellung der "Bild", er habe bei der Beförderung im Jahr 2017 von belastenden Dokumenten gewusst: von einer Polizeiwarnung vor einem Einsatz des Geistlichen in der Jugendarbeit und von einem Gesprächsprotokoll mit Missbrauchsvorwürfen eines Mannes gegen den Priester. Laut Staatsanwaltschaft konnte Woelkis Darstellung nicht widerlegt werden, dass er 2017 bei der Beförderung nur von dem Vorfall mit dem Prostituierten und darüber hinaus nur von "Gerüchten" gehört habe.

Dagegen ist die Aussage unter Eid vom 28. März 2023 vor dem Landgericht Köln, Woelki habe bis zu diesem Tag weder die zwei Dokumente eingesehen noch sonst von sexuellen Übergriffen des beförderten Pfarrers erfahren, laut Staatsanwaltschaft "als objektiv unwahr anzusehen". Die ausgewerteten Kommunikationsinhalte zeigten, dass Woelki schon lange vorher von den Vorwürfen gewusst habe. Auch ein von ihm unterzeichnetes Schreiben von 2018 stelle den Fall eingehend dar – "wobei die Einlassung des Beschuldigten, diesen Brief zwar unterzeichnet, nicht aber gelesen zu haben, nach hiesiger Bewertung aufgrund zahlreicher Indizien widerlegt ist". Zwar sei Woelki kein vorsätzliches Handeln nachzuweisen, so die Ermittlungsbehörde weiter, er sei aber wegen fahrlässigen Falscheides hinreichend verdächtig.

Streit um den Fall Pilz

In Bezug auf den zweiten Fall ist der Erzbischof laut Staatsanwaltschaft "wegen fahrlässiger Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt" hinreichend verdächtig, wobei ihm aber auch hier kein vorsätzliches Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Dabei geht es um den Fall des Ex-Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz (1940–2019). Ende Juni 2022 hatte das Erzbistum Köln Missbrauchsvorwürfe gegen den Geistlichen öffentlich gemacht, der seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen verbracht hatte. Unter Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, unterließ es das Erzbistum aber, das ostdeutsche Bistum über die Vorwürfe gegen Pilz zu informieren.

Woelki wehrte sich gegen die Darstellung der "Bild"-Zeitung, er habe sich in seiner Amtszeit ab Ende 2014 bewusst gegen ein Nachholen der Information entschieden. In dem Gerichtsverfahren versicherte er an Eides statt, dass er erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Fall Pilz befasst gewesen sei. Laut Staatsanwaltschaft ergab aber die Auswertung der WhatsApp-Kommunikation, dass Woelki spätestens im Jahr 2019 und damit unmittelbar nach dem Tod von Pilz davon wusste. Zudem belegten ausgewertete Chatnachrichten, dass der Erzbischof sich hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Kenntnis von dem Fall selbst unsicher gewesen sei. Diese Erinnerungslücken hätte er aber einräumen müssen, statt "aufs Geratewohl" andere Behauptungen aufzustellen, so die Staatsanwatschaft. Woelki erklärte laut Mitteilung des Erzbistums Köln: "Jetzt können wir uns mit ganzer Kraft den herausfordernden Zukunftsaufgaben widmen." Mit Blick auf die Geldauflage betonte das Erzbistum, dass es sich nicht um eine Strafe handele: "Kardinal Woelki ist unschuldig und hat nicht gelogen. Er hat keine Aussagedelikte, insbesondere keinen Meineid begangen." (KNA)

6.5., 15:13 Uhr: Ergänzt um viele weitere Details.