Wo das Gewand für den neuen Papst angefertigt wurde

Mitten im Trubel Roms, unweit des Vatikans, liegt der Stadtteil Borgo Pio. Zwischen Touristenströmen, Souvenirläden und trattorie, aus denen das Klirren von Tellern und das Rufen der Kellner auf die Straße dringt, steht eine kleine Tür in eine andere Welt offen: die der Schneiderei von Raniero Mancinelli, die auch gerne die "Schneiderei für Geistliche" genannt wird.
Der 86-Jährige steht inmitten von Messgewändern, Soutanen und einer Vielzahl von liturgischen Accessoires, die das Herz eines Klerikers höherschlagen lassen. Mitren, Stolen, Priesterhemden mit römischem Kragen, Monstranzen, Kelche, Weihrauchgefäße – Kleriker betreten seinen Laden, probieren liturgische Kleidung an, suchen das passende Zingulum oder eine Albe. Der Laden wirkt wie eine Mischung aus Sakralraum und Schneiderwerkstatt, irgendwo zwischen Handwerk und stillem Kulturerbe.
Drei Päpste angekleidet
Seit 1962 führt Mancinelli dieses Geschäft. Seine Schneiderei entwickelte sich mit den Jahrzehnten zu einer festen Institution. Drei Päpste kleidete der 86-Jährige bereits ein – Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Besonders vor Konklaven ist der Laden aber ein Nadelöhr: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun… und wenn alles gut läuft, bleibt zwischendurch ein kurzer Moment zum Verschnaufen. Dann erscheint Mancinelli aus einem Seitenraum, die Ärmel seines blauen Hemds hochgekrempelt. Er lächelt, begrüßt Kunden, plaudert mit ihnen, arbeitet, scherzt mit seinem Enkel und huscht dann zu einem befreundeten Bischof, der gekommen ist, um ein violettes Zingulum zu kaufen. Mancinelli aber hat Zeit für alle – er posiert für Fotos, Journalisten weist er nicht ab und hat nebenbei noch Zeit, Geistliche zu beraten. Das alles mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der nie im Rampenlicht stehen wollte und doch Teil von etwas Größerem geworden ist.

Seit über 60 Jahren fertigt Raniero Mancinelli Gewänder für Geistliche an.
"Ich habe angefangen, indem ich Priestern diente", erzählt er im Gespräch mit katholisch.de. "Priestern, die dann Bischöfe wurden. Bischöfen, die Kardinäle wurden. Und dann kam auch der Papst." Er sagt das mit einer Mischung aus Stolz und Demut, ganz so, als wäre es der natürliche Lauf der Dinge. Ob dieser Weg so einfach war, wie er klingt? Mancinelli schüttelt leicht den Kopf. "Ich habe mich weiterentwickelt", sagt er.
"Ob ein schwarzes Gewand für einen Priester oder ein weißes für den Papst: Es ist immer ein Vergnügen. Für den Papst zu arbeiten, ist natürlich ein besonderes Privileg." Dann hält er inne und ergänzt: "Es ist natürlich etwas ganz Besonderes." Dennoch sieht er seine Arbeit nicht als gewöhnlichen Broterwerb, sondern als Dienst an der Kirche, der ihm viel Freude bereitet.
In drei Größen
Am Mittwoch steht sie wieder an – die Papstwahl. Mancinelli hat deswegen vorgesorgt: Drei verschiedene Soutanen hat er vorbereitet – in den Größen klein, mittel und groß. Denn wenn der neue Papst gewählt wird, bleibt kaum Zeit, etwas neu zu nähen. Innerhalb weniger Minuten muss das Gewand bereitstehen, makellos, passend, weiß. Für ein solches Gewand brauche er vier bis fünf Tage. "Man muss mit großer Sorgfalt arbeiten", erklärt er. Große Sorgfalt, weil der Stoff sehr empfindlich ist und leicht schmutzig wird. Deshalb braucht es mehr Zeit als bei gewöhnlichen Gewändern, die er üblicherweise für Priester und Bischöfe anfertigt.
Was aber, wenn keines der drei vorbereiteten Gewänder passt? Die Mitarbeiterinnen lachen und verweisen auf eine römische Anekdote, die in kirchlichen Kreisen gerne erzählt wird: Als 1958 der etwas füllige Angelo Giuseppe Roncalli zum Papst Johannes XXIII. gewählt wurde, soll das vorbereitete Gewand viel zu eng gewesen sein. Nach dem berühmten "Habemus papam" trat er auf die Loggia des Petersdoms – in einem Gewand, dessen Rückennaht kurzerhand aufgetrennt worden war. Seitdem wird immer auf Nummer sicher gegangen. "Eines der Gewänder muss gut sein", sagt Mancinelli. Und selbst wenn es etwas zu kurz wäre, auf der Loggia würde es niemand merken. Im Nachhinein könne man schließlich nach Maß arbeiten.

Messgewänder, Kollarhemden und vieles mehr gibt es bei Raniero Mancinelli.
Am einfachsten wäre es aber, wenn der neue Papst ein Kardinal wäre, den er bereits ausgestattet hat. "Dann kenne ich seine Maße", lacht er. "Aber so etwas kann man sich kaum vorstellen. Wir werden sehen, wer es wird." Und vielleicht wird es doch jemand, der Mancinellis Laden bereits gut kennt. Eins aber ist sicher: Wenn der neue Papst feststeht, Touristen an der nächsten Eisdiele Schlange stehen, wird Mancinelli weiternähen – mit ruhiger Hand und mit jahrzehntelanger Erfahrung.
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