Leo XIV. ist der erste Augustiner auf dem Stuhl Petri
Mit Papst Leo XIV. stammt erstmals ein Papst aus dem Orden der Augustiner, einem traditionsreichen katholischen Orden mit mehr als 750-jähriger Geschichte. Der Ordo Fratrum Sancti Augustini (OSA) geht in seiner geistlichen Ausrichtung auf den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354-430) zurück, der eine Ordensregel verfasste, die als die älteste der westlichen Kirche gilt. Leo XIV. steht in der Tradition einer Gemeinschaft, die sich seit Jahrhunderten dem Dienst an Kirche, Bildung und Gerechtigkeit verpflichtet weiß – und der einst auch Martin Luther angehörte.
Die eigentliche Gründung des heutigen Ordens erfolgte 1256 durch Papst Alexander IV. mit der Bulle Licet Ecclesiae, in der mehrere Eremitenverbände, die bereits nach der Regel des heiligen Augustinus lebten, vereinigt wurden. Die neuen Mitglieder traten als "Augustiner-Eremiten" auf – ein Titel, der später (1963) auf "Augustiner" verkürzt wurde, um dem tatsächlichen Charakter des Ordens als Stadtorden besser zu entsprechen.
Mit dem Venezianer Eugen IV. (Gabriele Condulmaro, Papst 1431-1447) gab es bereits einen Augustiner-Chorherrn (CRSA) auf dem Stuhl Petri. Sie gehen ebenfalls auf die Augustinus-Regel zurück. Doch leben diese sogenannten Regularkanoniker sehr anders als die Augustiner(-Eremiten).
Als Ordenskleid bekamen die Mitglieder den schwarzen Habit, einen Ledergürtel und eine schwarze Kapuze. Die Klosterregeln waren vergleichsweise mild und enthielten namentlich das Fasten; auch durften die Mönche Schuhe statt Sandalen tragen. Durch die Gründung des Ordens wollten die Päpste auch Weltpriestern die Vorteile mönchisch-klösterlichen Lebens eröffnen. Mittelpunkt des wissenschaftlichen Strebens im Orden war das 1259 gegründete Pariser Kloster mit seinem später der Universität eingegliederten Studienhaus.
Priester und Brüder gleichberechtigt
Nach dem Willen des Papstes sollten sich die Brüder in den Städten niederlassen, nicht in der Einsamkeit. Ihr Auftrag bestand in der Verkündigung des Gotteswortes durch Predigt und Schriftauslegung, die würdige Gestaltung des Gottesdienstes und die Pflege von Wissenschaft und Kunst. Im Augustinerorden gab es keinen Statusunterschied zwischen Priestern und Laienbrüdern; letztere waren in den Kapiteln (Versammlungen) ebenfalls voll stimmberechtigt und hatten Zugang zu allen Ämtern.

Der Ordo Fratrum Sancti Augustini (OSA) geht in seiner geistlichen Ausrichtung auf den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354-430) zurück, der eine Ordensregel verfasste, die als die älteste der westlichen Kirche gilt.
Der Orden breitete sich rasch über ganz Europa aus. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts war er in bis zu 24 Provinzen organisiert, mit Klöstern von Irland bis Zypern. Besonders in der Stadtseelsorge spielte der Orden eine bedeutende Rolle. Durch Predigt, Bildung und wissenschaftliche Arbeit leisteten Augustiner einen wesentlichen Beitrag zur kirchlichen Erneuerung im Spätmittelalter. Zentren des Ordens waren unter anderem Erfurt, Köln, Wien und Paris.
Blütezeit im 16. Jahrhundert
Das 16. Jahrhundert war die Blütezeit des Ordens. Er unterhielt damals rund 2.000 Mönchs- und 300 Frauenklöster mit etwa 35.000 Mitgliedern. Besonders beliebt wurde der Orden im deutschen Sprachraum. Die deutsche Provinz zählte am Ende des 13. Jahrhunderts schon etwa 80 Konvente. Berühmtester und wirkmächtigster Augustiner-Eremit wurde Martin Luther (1483-1546). Er trat 1505 dem Erfurter Augustinerkloster bei – eine Wegstation, die seine spätere Reformationstätigkeit entscheidend prägte. Diese führte allerdings in Deutschland zur Auflösung zahlreicher Konvente des Ordens.
Weitere prominente Augustiner waren der Mystiker Nikolaus von Tolentino, der Theologe Aegidius von Rom oder Heinrich von Friemar. Abraham a Sancta Clara galt als einer der bekanntesten Prediger und Schriftsteller des Barockzeitalters und schließlich Johann Gregor Mendel als Wegbereiter der modernen Genetik.
Durch schwere Krisen
Nach schweren Krisen durch Reformation, Aufklärung, Säkularisation und Klosteraufhebungen schrumpfte der Orden im 19. Jahrhundert erheblich. Erst ab dem späten 19. Jahrhundert gelang eine vorsichtige Erholung, insbesondere in Spanien, Belgien und Deutschland. Heute ist der Augustinerorden weltweit in rund 50 Provinzen, Vikariaten und Delegaturen organisiert. Etwa 2.600 Ordensmitglieder engagieren sich in Seelsorge, Bildung, Mission und wissenschaftlicher Arbeit. Wichtige akademische Einrichtungen sind das "Institutum Patristicum Augustinianum" in Rom, die Universität Villanova in den USA sowie das Augustinus-Institut in Würzburg.
„Wir Augustiner sind sehr glücklich und hoffen, dass Leo XIV. ein wahrer Diener der Kirche sein wird“
Der Generalprior der weltweiten Augustiner, Alejandro Moral Anton, sieht in der Papstwahl von Robert Francis Prevost ein "Geschenk für die Kirche". "Wir Augustiner sind sehr glücklich und hoffen, dass Leo XIV. ein wahrer Diener der Kirche sein wird", sagte Moral dem Online-Portal Vatican News. "Er ist eine ausgeglichene, spirituelle Person, die allen nahe steht." Prevost war 2001 bis 2013 Vorgänger Morals im Amt des weltweiten Obereren der Augustiner.
Moral betonte, dass Leo XIV. "alle liebt, sowohl die Armen als auch die Reichen". In seiner ersten Ansprache habe der neue Papst sofort Themen wie Gerechtigkeit und Frieden, die Notwendigkeit von Brücken zwischen allen und die Synodalität in der Kirche angesprochen. "Und dann die Worte von Augustinus: 'Wir sind Pilger auf dem Weg zu einer wahren Heimat'." Sie dürften sein Programm für die kommenden Jahre darstellen, so der Augustiner-Obere.