Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Liebt einander, wie ich euch geliebt habe

Veröffentlicht am 17.05.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ Geliebt zu werden und zu lieben ist eine universelle Erfahrung. Was aber bedeutet es zu lieben, wie Jesus geliebt hat? Dieser Auftrag im Sonntagsevangelium erscheint Pfarrer Alexander Bergel zunächst als hoffnungslose Überforderung. Ginge es auch anders?

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Mit der Liebe ist das so eine Sache. Klar: Jeder weiß (hoffentlich), was es bedeutet, geliebt zu sein, alle sehnen sich danach, manche laufen davor weg. Wie auch immer: Irgendwie dreht sich doch (fast immer) alles um die Liebe. Nur, dann kommt der Auftrag Jesu: "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe." Und damit wird’s ein bisschen kniffelig. Denn: Was genau heißt das: Lieben, wie er geliebt hat?

Werfen wir einen Blick in sein Leben. Jesus hat nicht nur Liebe geschenkt. Er ist sie selbst. Immer und immer wieder hat er die Menschen um sich herum spüren lassen, was es heißt: Ich sehe dich, ich wende mich dir zu. Menschen konnten erleben, wie da einer verschwenderisch liebt. Und alles gibt, nämlich sich selbst. Die alte arme Frau hat dies erleben dürfen, der kleine Zachäus im Baum, die Frau mit ihrer gescheiterten Beziehung, die Kinder am Straßenrand, der Soldat, die Witwe, die junge Mutter, der zweifelnde Thomas, der lügende Petrus, die trauernde Maria Magdalena, der blinde Bettler, der seelisch verkümmerte Außenseiter, der reiche Jüngling und die vielen anderen. Sie alle haben eine Ahnung davon bekommen, was es heißt: Das ist einer, der begegnet mir so, dass plötzlich alles anders ist.

Das ist lange her. Jesus ist nicht mehr da. Jedenfalls nicht mehr so wie damals. Also sollen wir weitermachen: alle lieben, immer zuvorkommend sein, aufrichten, stärken, beschenken. Seien wir ehrlich: Das schafft kein Mensch. Und wenn doch? Ja, was wäre, wenn doch? Genau das traut Jesus uns offensichtlich zu. Nur vielleicht anders als gedacht. Vielleicht kommt es nicht so sehr auf die Zahl, nicht so sehr auf die Fülle der Taten an, nicht auf ein Immer und überall, sondern auf etwas ganz anderes.

Nicht so sehr, was wir einander bieten können, ist entscheidend, sondern was wir füreinander sind. Jemandem (und vielleicht auch nicht sofort der ganzen Welt) sich selbst zu schenken mit allem, was dazu gehört: mit meiner eigenen Sehnsucht, mit meinen Zweifeln, mit meiner Unvollkommenheit, mit meiner Kreativität, mit meinem Mut, mit meinem Schweigen – vielleicht kommt das schon ganz schön nah heran an die Haltung Jesu. Und an seine Liebe. Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe – vielleicht, ja vielleicht geht das so.

Lesung aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 13,31–33a.34–35)

Als Judas vom Mahl hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen.

Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

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