Himmelklar – Der katholische Podcast

Diakon und Holzbildhauer: Meine Werkstatt ist meine Klausur

Veröffentlicht am 04.06.2025 um 00:30 Uhr – Von Verena Tröster – Lesedauer: 
Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch
Bild: © Privat

Köln ‐ Aus Eichenholz schnitzt Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch Königinnen und Könige, die durch die ganze Welt touren. Wie er dazu gekommen ist und warum seine Arbeit auch etwas Spirituelles hat, erzählt er im Interview.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Alles begann mit einem Stück Treibholz am Strand von Kroatien – ein Stück Holz, in dem Diakon Ralf Knoblauch einen König erkannte. Heute, 13 Jahre später, sind sie sein Lebensthema: Die aus altem Eichenholz geschnitzten Königinnen und Könige. Über Tausend von ihnen hat Knoblauch in seinem Keller gefertigt. Sie stehen für die Königswürde eines jeden Menschen und touren heute durch die ganze Welt. Warum seine Werkstatt gleichzeitig seine Klausur ist, wieso das Fertigen der Könige eine zutiefst spirituelle Dimension hat und wieso es von ihm nie etwas anderes geben wird, als seine Königinnen und Könige, erzählt er im Interview.

Frage: Ihr Königinnen und Könige entstehen alle in den frühen Morgenstunden?

Knoblauch: Genau. Sie entstehen mit Beginn des Tages, oder besser gesagt an der Schwelle zwischen Nacht und Tag. Ganz früh morgens setze ich mich für eine Stunde dem Thema aus, so beginnt der Tag von Montag bis Freitag, auch der heutige Tag, bevor ich mich aufs Rad gesetzt habe.

Frage: Das heißt, um wie viel Uhr?

Knoblauch: Um 5 Uhr geht es los, von 5 bis 6 Uhr. Um 6 Uhr wird alles stehen und liegen gelassen und mein Familienalltag beginnt mit Frühstück.

Frage: Das heißt, während der Rest der Familie noch schläft. Sie haben drei Kinder, ein Kind wohnt noch zu Hause, Ihre Frau ist da.

Knoblauch: Genau, meine Werkstatt, die auch meine Klausur ist, sage ich immer, mein kleiner Gebets- oder Meditationsraum im Keller, der ist so weit abgeschottet, dass andere dadurch nicht gestört werden.

„So ist das letztlich seit Jahren eine Wechselbeziehung aus diesem morgendlichen kreativen Tun und diesem pastoralen Gedanken, für die Menschen da zu sein und ihre Würde zu bestärken.“

—  Zitat: Diakon Knoblauch

Frage: Ich kann mir vorstellen, es ist laut Holz zu bearbeiten. Schnitzen ist es nicht, oder?

Knoblauch: Nein, Schnitzen ist es nicht, es ist mehr ein Bildhauen, das heißt es wird so ein klassisches Bildhauerwerkzeug verwendet, ein Holzklüpfel mit Stechbeitel. Es ist ein permanentes Klopfen und es ist so ein bisschen irritierend, auch weil es sich wie so ein Specht anhört, der dauernd in seinem Baum herumpickt und schlägt.

Frage: Haben Sie direkte Nachbarn?

Knoblauch: Nein, Gott sei Dank, wir leben sehr privilegiert in einem wunderschönen Pfarrhaus in Bonn-Lessenich. Ich habe keine direkten Nachbarn. Der Friedhof ist der nächste Nachbar.

Frage: Sie haben gerade schon gesagt, das ist für Sie auch Ihre Klausur. Ist das also auch eine spirituelle Tätigkeit?

Knoblauch: Ja, und das schon seit vielen Jahren. Ich arbeite ja im Bonner Norden als Diakon, fast ausschließlich in der diakonischen Pastoral. Tannenbusch, Medinghoven, Brüser Berg, das sind sehr prekäre Stadtteile in Bonn. Da bin ich oft mehr sozialarbeiterisch unterwegs und stehe für eine bestimmte Sozialpastoral, die wir dort verortet haben, mit vielen großen Projekten.

Frage: Haben Sie da ein konkretes Beispiel?

Knoblauch: Wir bemühen uns natürlich, sehr nahe bei den Menschen in ihrer schwierigen Lebenssituation zu sein und haben dort vor vielen Jahren schon einen Mittagstisch initiiert, wo man zweimal die Woche für kleines Geld eine warme Mahlzeit bekommen kann. Wir haben eine Lebensmittelausgabe in Kooperation mit der Tafel. Wir haben einen Bus angeschafft, mit dem wir vor Ort bei den Menschen sein werden, um Beratung anzubieten und um einfach ein offenes Ohr zu haben und Gespräche zu ermöglichen. Viele dieser Menschen leben in sehr schwierigen Lebenslagen, und da ist ihre Würde oft auch sehr angefragt. Und so nehme ich in diese Morgenstunde letztlich all das mit rein, was mir dort auf der Straße begegnet oder in den Begegnungen, die mir oft ja auch ein ganzes Stück weit einfach vor die Füße fallen, die man nicht immer steuern kann. So ist das letztlich seit Jahren eine Wechselbeziehung aus diesem morgendlichen kreativen Tun und diesem pastoralen Gedanken, für die Menschen da zu sein und ihre Würde zu bestärken.

Diakon
Bild: ©Harald Oppitz/KNA (Symbolbild)

"Wir bemühen uns natürlich, sehr nahe bei den Menschen in ihrer schwierigen Lebenssituation zu sein und haben dort vor vielen Jahren schon einen Mittagstisch initiiert, wo man zweimal die Woche für kleines Geld eine warme Mahlzeit bekommen kann", so Diakon Knoblauch.

Frage: Sie schlagen also das Erlebte ins Holz.

Knoblauch: Ich schlage es ins Holz, ich arbeite mich auch ein ganzes Stück weit an dem Holz ab, weil das ein sehr hartes Arbeiten ist, weil meine Königinnen und Könige fast ausschließlich aus alter Eiche sind, aus sehr hartem Holz. Das ist auch kein Schnitzen, was ich mache, das ist ein Bildhauen. Die klassischen Holzschnitzer, wie man sie vielleicht aus Südtirol oder aus dem Allgäu kennt, die Kruzifixe oder Krippenfiguren schnitzen, nehmen alle in der Regel ganz weiches Holz – wie Lindenholz oder Zirbenholz. All das, was bei uns im Mittelalter in den Kirchen an Kunst aus Holz entstanden ist, war immer Lindenholz. Für mich ist das aber ein total langweiliges Holz.

Frage: Warum ist die Eiche spannender?

Knoblauch: Die Eiche ist insofern sehr spannend, weil sie zum einen so hart ist, weil sie unheimlich schöne, ätherische Düfte freigibt im Bauen und weil sie sich permanent in der Struktur verändert. Vor allen Dingen, wenn ich sie nochmal mit Öl tränke, ändert sich nochmal ganz viel im Aussehen und Konturen kommen stärker heraus. Das ist ein ritualisierter Prozess in dieser Morgenstunde, weil jeder König und jede Königin natürlich auch gesalbt wird. Und das erfolgt bei mir mit dieser Tränkung im Leinöl.

Frage: Wenn Sie sagen, das ist Holz, das sich verändert, würden Sie auch sagen, Sie haben sich in den letzten 13 Jahren verändert, seitdem Sie das machen?

Knoblauch: Ja, das würde ich schon sagen. Ich habe den Eindruck, ich bin sensibler geworden, auch für bestimmte Themenfelder. Ich sehe, dass diese Könige und Königinnen für mich letztlich eine Art der Verkündigung geworden sind. Sie sind Türöffner für ganz viele Themenfelder, auch im innerkirchlichen Kontext. Ich arbeite für die Kirche, ich bin jetzt 60 geworden und habe schon gemerkt, dass ich durch diese Skulptur oder Skulpturen oft auf ganz anderen Ebenen mit Menschen ins Gespräch gekommen bin, wo wir sonst vielleicht viel zu verkopft dran gehen oder uns verhaspeln oder gar nicht weiterwissen. Dieses Haptische, den König in die Hand zu nehmen, ist ein ganz wichtiges Element bei meinem Tun. Man muss die Risse und Kanten und die Konturen des Holzes spüren und in sich aufnehmen. Und diese Verletzlichkeit, letztlich ist keiner perfekt, jeder hat seine Macken und seine Fehler, die soll man auch erspüren können. Das irritiert viele, aber wenn man es einmal überwunden hat, geht es dann auch gut.

„Ich habe den Eindruck, ich bin sensibler geworden, auch für bestimmte Themenfelder. Ich sehe, dass diese Könige und Königinnen für mich letztlich eine Art der Verkündigung geworden sind.“

—  Zitat: Diakon Knoblauch

Frage: Ich muss sagen, bei mir funktioniert das. Ich fühle mich angefasst von so einem König und davon, den hier im Studio stehen zu haben. Gibt es auch Leute, wo sie bemerken, dass Sie da nicht durchkommen?

Knoblauch: Ich muss dazu sagen, ich bekomme das ja gar nicht so oft mit. Meine Könige sind unterwegs, und da bin ich in der Regel nicht mit vor Ort. Ich setze meine Könige auch selbst pastoral ein: in seelsorglichen Gesprächen oder in Aktionen auf der Straße oder wie auch immer. Da habe ich diese Erfahrung noch nicht gemacht, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass es für manche schwierig ist und dass das vielleicht auch irritiert. Was soll das jetzt? – wenn sich manche unter König etwas ganz anderes vorstellen oder andere Assoziationen im Kopf haben. Also das mag sicher auch der Fall sein, aber damit kann ich auch gut leben. Es ist nicht unbedingt für jeden etwas.

Frage: Gibt es auch Leute, denen das zu viel ist und die dann sagen, jetzt geh mir weg, schon wieder du mit deinen Königen?

Knoblauch: Ja, das würde ich schon sagen, das gibt es auch. Manche sagen vielleicht: "Boah Ralf, jetzt machst du seit Jahren immer nur diese Könige. Mach doch mal was anderes!"
Aber es wird bei mir nichts anderes geben, weil es letztlich so mein Lebensthema geworden ist, weil ich glaube, dass es auch in den nächsten Jahren ein ganz zentrales Thema unseres Zusammenseins sein wird: Wie gehen wir mit der Würde um? Also, ich habe keinen Kreativstress dabei in dieser Morgenstunde. Ich kenne viele Künstler und Künstlerinnen, mit denen ich befreundet bin, die permanent auch den Drang haben, sich weiterzuentwickeln oder etwas Neues zu schaffen, um dranzubleiben. Teilweise müssen sie ja von ihrer Kunst leben, um weiterzukommen. All dieses habe ich ja nicht und deswegen: Es gibt Könige oder es gibt nichts. Also es ist so klar für mich – und wie gesagt, es ist etwas sehr Meditatives.

Es ist vielleicht vergleichbar mit dem Ikonenschreiber. Der Ikonenschreiber baut seine Ikone auch nach ganz bestimmten Regeln und Schritten auf. Und er schafft trotzdem am Ende eine individuelle Ikone. Ich glaube, letztlich ist es bei mir so ähnlich angelegt. Die einzelnen Schritte arbeite ich permanent ab im Thema. Und das, was ich ihnen persönlich mitgebe, der Gesichtsausdruck, ist immer das Letzte. Dadurch bekommen Sie ihr Charakteristikum, ihre persönliche Note.

Von Verena Tröster