Chicago hofft auf Papst-Tourismus

Das Geburtshaus des ersten US-amerikanischen Papstes an der schlichten Adresse 212 E. 141st Place soll zur Pilgerstätte werden. Die eingefallene St. Mary of the Assumption Church ein paar Straßenzüge weiter, könnte schon bald in neuem Gewand als Nationaldenkmal Wiederauferstehung erleben. Während Dolton schon eine erste Straße nach dem Sohn der Stadt umbenannt hat. Willkommen in Popetown, USA!
Bürgermeister Jason House hat große Pläne. Der Vorort auf der ärmlichen South Side von Chicago wittert seine Chance, sich aus der wirtschaftlichen Dauerkrise zu befreien. Dabei helfen soll die Schaffung eines Pilgerziels, als das sich das bescheidene Backsteinhaus von Leos Eltern mit seiner leuchtend roten Haustür anbietet.
Die Chronologie des Elternhauses symbolisiert exemplarisch den Aufstieg und Niedergang Doltons. 1949 kauften Louis und Mildred Prevost das Haus direkt vom Bauunternehmer. Jahrzehntelang war es ihr Zuhause, in dem sie ihren Sohn Robert und dessen zwei Brüder John und Louis großzogen. Sie führten das typische Leben einer US-Familie, die sich bescheidenen Wohlstand aufbauen konnte.
Weißer Rauch in Rom änderte alles
Mit dem Niedergang der einheimischen Industrien ging es auch mit Dolton bergab. Die Familie trennte sich 1996 von der Immobilie. Das in die Jahre gekommene Häuschen wechselte mehrfach den Besitzer, bis es 2023 leer stand und zeitweise sogar im Verdacht stand, ein Drogenumschlagplatz zu sein.
Vergangenes Jahr erwarb Pawel Radzik das Drei-Zimmer-Haus für 66.000 Dollar. Nach umfangreichen Renovierungen bot er es im Januar für 219.000 Dollar zum Verkauf an. Mangels Nachfrage senkte er den Preis bis April um zehn Prozent. Das Blatt wendete sich für den Investor am 8. Mai 2025, nachdem weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufgestiegen war. Plötzlich gingen täglich sieben bis acht Angebote ein. Tendenz steigend. Auf Anraten seines Maklers nahm Radzik das Objekt vom Markt, "um die Lage neu zu bewerten".

Das Elternhaus von Papst Leo XIV. in Dolton bei Chicago.
Jetzt steht es zur Auktion an. Das Unternehmen Paramount Reality bewirbt die Immobilie als "ein Stück päpstlicher Geschichte" und verspricht eine "einmalige Gelegenheit". Bürgermeister House warnt potenzielle Käufer, dass jeder Erwerb nur "temporär" wäre. Dolton will das Geburtshaus Leos zusammen mit dem Erzbistum Chicago übernehmen und öffentlich nutzen – notfalls auch gegen den Willen des heutigen Eigentümers. Eine Zwangsenteignung sei allerdings "die letzte Wahl", betont Bürgermeister House.
Ein Wunder für Dolton
Nachbarin Donna Sagna, selbst eine fromme Katholikin, glaubt, dass Papst Leo XIV. schon jetzt ein Wunder für Dolton bewirkt hat. Die Pfarrerin einer Freikirche und Berufssängerin, die seit acht Jahren nebenan wohnt, erinnert sich an düstere Zeiten. "Da gingen viele Leute rein und raus", beobachtete sie. Ihr Verdacht? Drogenhandel. "Es gab viel Streit und all diese Gewalt, Kämpfe hier, Schießereien und so weiter", berichtete sie einem US-Reporter vor Ort. Seit der Papstwahl habe sich alles geändert. Ein Polizeiwagen steht permanent vor dem Haus, weil Medien und Pilger den schmalen Block überrennen. "Leute pilgern hierhin, um zu beten. Die Gemeinde redet wieder miteinander", beschreibt Sagna den Wandel. "Das bringt uns Frieden."
Zum Touristen-Magneten ist auch die eingefallene Kirche St. Mary an der South Leyden Avenue geworden. Die Ruine hat ein Loch im Dach, bröckelnde Dachrinnen und Graffiti hinter dem Altar. Investor Joel Hall plant die Renovierung als Gotteshaus und Lebensmittelbank für Arme, die den Namen "Father Bob" tragen soll. Die Organisation "Preservation Chicago" setzt sich dafür ein, die Kirche unter Denkmalschutz zu stellen.
Chicago im Papstfieber
Die Papst-Manie hat derweil ganz Chicago erfasst. So wird auch die Hochschule "Catholic Theological Union", wo Prevost von 1978 bis 1982 studierte, zur Pilgerstätte. Die Mendel Catholic Prep Highschool in Roseland, an der er Mathematik unterrichtete, während seine Mutter dort als Bibliothekarin arbeitete, erlebte einen Ansturm. Ebenfalls im Fokus steht die St. Rita of Cascia High School in Ashburn, wo Leo als Aushilfslehrer tätig war.
Neben den Pilgerstätten für Katholiken gibt es weltliche Anziehungspunkte wie das Stadium der White Sox, des Baseball-Kultteams der schwarzen South Side. Seit sein älterer Bruder offiziell bestätigt hat, dass "Bob" ein "Sox"-Fan ist, ziert ein Wandgemälde Leos das "Rate Field".

"Leute pilgern hierhin, um zu beten. Die Gemeinde redet wieder miteinander", sagt eine Nachbarin.
Bei Aurelio, dessen Pizza mit dünner Kruste Leo alias "Father Bob" liebte, gibt es jetzt die "Pope-A-Roni Pizza". Wer Glück hat, kann sie am "Papst-Tisch" verspeisen. Chicago ist berühmt als Pizza-Stadt, aber auch als Steak-Metropole. Leos Vorliebe für Rindfleisch nutzt die Fast-Food-Kette Portillo's mit "The Leo" – einem "göttlich gewürzten Italian Beef, getaucht in Soße". Bestseller in Chicagoer Läden sind auch Memorabilien wie "DaPope"-T-Shirts, aber auch Rosenkränze mit dem Ebenbild des Papstes und Sammelkarten. Der Hersteller Topps verkaufte davon in vier Tagen 133.535 Stück für je 8,99 Dollar.
Zweifellos könnte niemand einen Papst besser vermarkten als Leos geschäftstüchtige Landsleute. Die versuchen, einen unscheinbaren Vorort mit 20 Prozent Erwerbslosigkeit zu "Popetown, USA" zu verwandeln. Obwohl Leo XIV. sein Zuhause immer auch in Peru und im Vatikan hatte – erst recht heute als Führer der Weltkirche.