Wir erleben mit Papst-Wahl wieder Strahlkraft des Römisch-Katholischen
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Unter preußisch-protestantischer Dominanz war der deutsche Katholizismus lange minoritär und geradezu das konfessionelle Aschenputtel. Dies änderte sich zwar mit der Bonner Republik, die der evangelische Theologe Martin Niemöller schmähte als "ein Kind, das in Rom gezeugt und in Washington geboren" sei, quasi ein "katholischer Staat". Doch 1990 tönte es, Deutschland werde nun wieder "protestantischer, nördlicher und östlicher ausgerichtet sein" (Volker Rühe). 2010 versank die als rückständig verpönte katholische Kirche im vermeintlich Zölibats-bedingten Missbrauchsskandal; das Ausmaß evangelischer Verstrickung lag noch im Dunkel. Beim Reformationsjubiläum 2017 wurde gefühlt die ganze Republik lutherisch.
Durch die Wucht päpstlicher Ereignisse in Rom wird die protestantisch-zivilreligiöse Grundstimmung nun wieder durchbrochen. Das Interesse am konfessionellen Underdog lebt auch in säkularen Milieus auf, wenn Bilder uralter Rituale in prächtigen Gewändern vom Sterben und der Neuwahl eines Pontifex künden. 2005 wurden "wir" sogar Papst; dass es im Klischee ein konservativer "Panzerkardinal" war, störte kaum. Auch ohne biographische Deutschland-Bezüge wie noch bei Franziskus erleben wir mit Leo XIV. wieder die Strahlkraft des Römisch-Katholischen.
Lange hielten protestantisierende katholische "Reformer" die Entmystifizierung und Modernisierung von Kirchenräumen, Liturgien und Theologien für nötig, um bei heutigen Menschen punkten zu können. Indes betonen Religionssoziologen, "dass Transzendenzvorstellungen nur dann kommunikabel sind, wenn sie eine konkrete Anschaulichkeit gewinnen"; Religionen bedürften "der Vermittlung des Unbestimmbaren durch Symbole, Rituale, Ikonen, Altäre, heilige Schriften, Prozessionen oder charismatische Personen" (Pollack/Rosta 2017). Papst Franziskus stieß zwar Reformen an, ermahnte die Katholiken im Stammland der Reformation aber: "Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei."
Menschen suchen in der Religion keine Duplizierung der rationalen, modernen Welt, sondern Berührung mit dem Geheimnisvollen, Numinosen, seelisch Erhebenden – auch durch historische Reminiszenzen, üppige Schönheit und eine verlässliche Strenge der Form. Dies können die eindrucksvollen, symbolreichen Tage in Rom neu lehren.
Der Autor
Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.