P. Lukas kennt Leo XIV. persönlich – und setzt Hoffnung auf sein Pontifikat

Leo, der Augustiner: Was sein Ordensbruder über den neuen Papst sagt

Veröffentlicht am 12.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Auf den Jesuitenpapst folgt ein Augustiner. Was bedeutet seine Ordenszugehörigkeit dafür, wie Leo XIV. sein neues Amt ausfüllen kann? Für den Augustiner-Provinzial Lukas Schmidkunz ist klar: Auch als Papst wird sein Ordensbruder so bleiben, wie er ihn kennen gelernt hat.

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Papst Leo XIV. könnte Martin Luther den Rang als bekanntester Augustiner der Welt ablaufen. Was macht diesen alten Orden aus? Führen Augustiner anders als Jesuiten? Und wie ist das so, wenn ein Ordensbruder plötzlich Papst wird? Fragen, die der oberste Augustiner in Deutschland beantworten kann. Er kennt den ehemaligen Generalprior seines Ordens persönlich: Von vielen Besuchen in Deutschland. Warum der heutige Papst dabei nicht von "Visitationen" sprechen wollte, verrät P. Lukas im katholisch.de-Interview.

(Das Titelbild zeigt in der Mitte den späteren Papst Leo XIV. als Generalprior des Augustinerordens mit der 2007 neu gewählten Provinzleitung. P. Lukas ist der zweite von links.)

Frage: Pater Lukas, als Benedikt XVI. gewählt wurde, hieß es in Deutschland "Wir sind Papst". Sind die Augustiner jetzt auch Papst?

P. Lukas: Kaum war es bekannt, habe ich schon die ersten Nachrichten bekommen: "Jetzt seid ihr Papst!". Aber von unseren Brüdern kam dieses Wort nicht.

Frage: Haben Sie denn damit gerechnet, dass einer von Ihnen Papst wird?

P. Lukas: Wenn wir Augustiner einen Kardinal im Konklave haben, seit langer Zeit wieder einmal, ist das natürlich zumindest theoretisch möglich. Wir haben im Orden diskutiert, welche Chancen er haben könnte, wie gut er vernetzt ist, wie angesehen er ist. Da gab es dann unterschiedliche Einschätzungen. Wir in Deutschland haben es eher für unwahrscheinlich gehalten, die Brüder in Belgien waren optimistischer. Aber am Ende war es doch für uns alle eine Überraschung, als wir vor dem Fernseher saßen und der Name verkündet wurde.

Porträtfoto von Pater Lukas Schmidkunz im schwarzen Augustiner-Habit
Bild: ©Bistum Würzbug/Anna-Lena Ils (Archivbild)

Pater Lukas Schmidkunz ist seit 2019 Provinzial der deutschen Augustinerprovinz. Zuvor war er unter anderem Direktor der Bildungsstätte Sankt Martin in Germershausen im Bistum Hildesheim.

Frage: Sie selbst haben den heutigen Papst in seiner Zeit als Generalprior der Augustiner kennengelernt. Wie haben Sie ihn als Mensch erlebt?

P. Lukas: Er ist ein sehr angenehmer und umgänglicher Mann. Man kann mit ihm auch gut abends zusammensitzen, er ist sehr humorvoll. Er war bei unseren Provinzkapiteln, die er geleitet und begleitet hat, und er hat unsere Brüder in den Klöstern und Konventen besucht. Da ist er nie als einer aufgetreten, der jetzt der Obere ist und Ansagen macht, was Sache ist. Er ist ein Mensch, der zuhört, der hinschaut und Interesse an den Menschen um ihn herum hat. Als ich im Kloster Germershausen im Bistum Hildesheim lebte, habe ich ihn durch die Familienbildungsstätte St. Martin geführt. Da habe ich gemerkt, wie aufmerksam und interessiert er an unserer Arbeit und unserem Zusammenleben war. Sein Auftreten ist bescheiden. Er plaudert nicht einfach los, und wenn er etwas sagt, dann tut er das überlegt und fundiert.

Frage: Auch auf Deutsch?

P. Lukas: Er kann ein bisschen deutsch, aber er spricht ein sehr verständliches Englisch. Das ist ja nicht bei allen US-Amerikanern der Fall.

Frage: Wofür stand er inhaltlich als Generalprior? Was war ihm wichtig?

P. Lukas: Ihm war es wichtig, die Brüder kennenzulernen. Das Wort "Visitation" mochte er nicht. Als Generalprior muss er natürlich die Provinzen und die Konvente visitieren, so steht es in den Konstitutionen. Er hat immer gesagt, dass er nicht wie ein apostolischer Visitator zu einem Kontrollbesuch kommt, sondern als einer, der zu den Brüdern kommt: Wie wird hier Gemeinschaft gelebt? Wie lebt ihr Augustiner vor Ort miteinander? Ihm war es sehr wichtig, dass wir uns an die Regel aus unseren Konstitutionen halten, dass jeder Konvent aus mindestens drei Brüdern besteht, besser noch aus vieren. Gerade in den kleineren Provinzen ist die Versuchung groß, auch einmal einen allein irgendwo hinzuschicken, um etwas aufzubauen, oder einen übrig zu lassen, wo sonst etwas zu Ende geht. Dieses Einzelkämpfertum hat er nicht gewollt.

Frage: Bei Papst Franziskus hat man vieles mit einem jesuitischen Führungsstil erklärt. Gibt es auch einen augustinischen Führungsstil?

P. Lukas: Für uns ist es prägend, Entscheidungen in Gemeinschaft zu treffen. Da darf es dann auch Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten geben. Es ist nicht augustinisch, dass sich der Obere hinstellt und das mit einem Basta durchsetzt, was er für richtig hält. Wir haben ein hohes Gemeinschaftsideal. Auf allen Ebenen entscheiden bei uns Räte, die gemeinsam beraten und gemeinsam einen Weg suchen. Das ist augustinischer Führungsstil: Beteiligung, andere einbeziehen und teilhaben lassen, Entscheidungen nicht aus dem Nichts, sondern aus einem gemeinsamen Prozess heraus fassen.

Der heilige Augustinus von Hippo
Bild: ©KNA (Archivbild)

Eine Statue des heiligen Augustinus im Gipsmuseum in Lourdes. Das flammende Herz ist auch im Wappen von Leo XIV. zu finden.

Frage: Welche Spiritualität prägt die Augustiner? Wie sehen Augustiner auf die Welt und auf ihren Glauben?

P. Lukas: Wir sind geprägt durch den heiligen Augustinus und die Ordensregel, die er uns gegeben hat. Darin ist der Grundsatz des gemeinsamen Lebens zentral, miteinander unterwegs zu sein. Dabei sind weniger die großen theologischen Werke des Augustinus prägend als seine Briefe und Predigten. Darin wird deutlich, dass Augustinus die Menschen seiner Zeit und ihre Sorgen und Anliegen wahrgenommen hat. Wir sind im Mittelalter im Kontext der Bettelordensbewegung entstanden. Das bedeutet, dass wir für Menschen da sein wollen, Menschen zuhören, den Menschen in den Mittelpunkt des eigenen Handelns und des eigenen Glaubens stellen. Wir wollen den Menschen nichts überstülpen und aufoktroyieren, sondern ihre Sorgen und Nöte sehen, an der Seite der Menschen stehen und mit ihnen leben.

Frage: Das könnte auch eine Stellenbeschreibung für einen Papst sein.

P. Lukas: Als Bischof hat Robert Prevost so gelebt und ist als Seelsorger und Missionar auf die Menschen zugegangen. Ich hoffe und glaube, dass er das auch als Papst tun wird.

Frage: Mit 69 Jahren ist Papst Leo für Päpste jung und kann ein langes Pontifikat vor sich haben. Was erwarten Sie von diesem Pontifikat?

P. Lukas: Zunächst erwarte ich, dass er sich Zeit nimmt, in das Amt hineinzuwachsen. Er ist keiner, der jetzt auf die Schnelle große Reformen macht. Ich rechne auch nicht damit, dass er etwas zurückdreht, was im Pontifikat von Franziskus entstanden ist. Seine Vertrauen vermittelnde und verbindliche Art öffnet Möglichkeiten für die Kirche und für die Welt, die Strömungen, die gerade überall auseinanderlaufen, Konservative und Progressive, wieder zusammenzuführen. Es kann in der Kirche und in der Welt auch Dinge nebeneinander geben, ohne dass man die andere Seite verdammen muss. Für diesen Weg der Versöhnung und Einheit hat Papst Leo genau die Stärken, die es dafür braucht.

Von Felix Neumann