Ordensfrau über neuen Papst Leo XIV.: "Ich war richtig gerührt"

Noch 21 Augustinerinnen leben in dem Kloster Immaculata in Neuss bei Düsseldorf. Die meisten der Ordensfrauen sind weit über 80 Jahre alt. Als die Schwestern davon erfuhren, dass ein neuer Papst gewählt worden war, erlebten sie den Moment seines ersten Auftritts auf der Loggia im Vatikan gemeinsam. Wie genau, davon berichtet die Generalpriorin der Neusser Augustinerinnen, Schwester Celina Koch, im Interview mit katholisch.de. Die 83-Jährige erklärt zudem, welche Sätze ihr aus der Ordensregel des heiligen Augustinus besonders wichtig sind und was sie dem neuen Augustiner-Papst wünscht.
Frage: Schwester Celina, wie haben Sie den Moment erlebt, als Papst Leo XIV. an die Loggia des Vatikans trat?
Schwester Celina: Meine Mitschwestern und ich feiern in diesen Tagen einige Ordensjubiläen und waren deshalb bei der Papstwahl letzte Woche gerade in Exerzitien. Aber diesen Moment haben wir uns nicht entgehen lassen. Als wir von dem weißen Rauch erfuhren, saßen wir gerade beim Abendessen. Unser Exerzitienleiter sagte uns dann, dass wir jetzt gemeinsam am Fernseher den Segen "Urbi et orbi" des neuen Papstes erwarten sollen. Und das machten wir Schwestern dann auch. Ich war richtig gerührt, als der Papst an den Balkon des Vatikans trat und wir hörten, dass der einzige Augustiner, der bei dem Konklave dabei war, nun unser neuer Heiliger Vater ist.
Frage: Kennen Sie Papst Leo XIV. persönlich?
Schwester Celina: Bisher nicht. Ich denke jedoch, dass wir ihn noch kennenlernen werden. Wie ich hörte, soll der Papst ja auch Deutsch sprechen, vielleicht schreibe ich ihm einmal persönlich. Meine Mitschwestern und ich teilen die Freude und Dankbarkeit mit allen Augustinern und Augustinerinnen weltweit, dass wir nun einen Augustiner-Missionar als Papst haben. Da muss der Heilige Geist am Werk gewesen sein! Der neue Papst ist ein Augustiner und wieder ein Ordensmann! Das ist schön!
Frage: Wie viele Mitschwestern haben Sie in Ihrem Kloster in Neuss?
Schwester Celina: Wir sind noch 21 Schwestern und nicht mehr die Jüngsten. Wir sind alle zwischen 80 und 95 Jahren alt und nicht mehr beruflich tätig, höchstens im Ehrenamt. Wir Augustinerinnen sind ein tätiger, karitativer Orden und heißen "Barmherzige Schwestern nach der Regel des Heiligen Augustinus". Die Barmherzigkeit anderen Menschen gegenüber ist uns wichtig, also die Fürsorge für andere. Das heißt, unser Arbeitsschwerpunkt war immer die Pflege am Menschen. Unsere Ordensstifterin Mutter Johanna Etienne und ihre Mitschwestern lebten früher als Cellitinnen in Düsseldorf. Sie hatten mit dieser Arbeit begonnen und versorgten Kranke und Notleidende, die sie von den Straßen holten. Die Stadt Neuss hat dann 1844 diese Ordensfrauen darum gebeten, ihre soziale Arbeit dort aufzubauen. Daher werden wir auch "Neusser Augustinerinnen" genannt. In Krankenhäusern, in der ambulanten Pflege, in Altenheimen, Kindergärten, Nähschulen, Krankenpflegeschulen für junge Menschen, in der Seelsorge und im Hospiz waren wir als geistliche Gemeinschaft den Menschen in verschiedenen Lebenssituationen nahe. Die Pflege Schwerstkranker und Sterbender war immer ein zentrales Anliegen der Augustinerinnen. Wir lassen keinen auf seinem letzten Weg allein. Früher waren viele meiner Mitschwestern in Pflegeberufen tätig. Heute können wir Schwestern das alles nicht mehr stemmen. Unsere Einrichtungen haben wir längst an eine Stiftung übergeben.

Die 21 Augustinerinnen in Neuss mit Schwestern aus Burundi bei einem Festgottesdienst mit Weihbischof Dominikus Schwaderlapp.
Frage: Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft Ihrer Gemeinschaft?
Schwester Celina: Ich sehe das Älterwerden und auch das Altwerden der klösterlichen Gemeinschaft sehr positiv. Wir Schwestern haben früh genug unsere Werke in gute Hände abgegeben. Dazu haben wir 2001 die Stiftung der Neusser Augustinerinnen mit den Namen "Cor unum" gegründet. Dort sind zum Beispiel unsere Einrichtungen der Somatik, Psychiatrie, Senioren- und Behindertenhilfe und ein Hospiz untergebracht. Weil das alles nun andere für uns weiterführen, können wir in Ruhe und Gelassenheit uns auf unser Ordensleben konzentrieren. Wir Schwestern haben Zeit zum Zuhören, für Gespräche und Krankenbesuche, zum Beten, zum Sitzen an der Pforte und können für die Menschen da sein, die kommen und gehen. Wir zählen uns zu den Seniorinnen, und fühlen uns mit ihnen solidarisch. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, unsere Mitarbeiter mit unserem Gebet zu begleiten. Denn sie führen all das fort, was wir einmal aufgebaut haben. Wir beten für andere und leben jeden Tag aus dieser Kraft des Gebets. Unser Ordensvater Augustinus war von der gemeinschaftsbildenden Kraft des Gebetes zutiefst überzeugt.
Frage: Sind Sie traurig darüber, dass es Ihre Gemeinschaft in vielleicht 20 Jahren nicht mehr geben wird?
Schwester Celina: Unsere Ordensgemeinschaft hier in Neuss wird es schon in weniger als 20 Jahren nicht mehr geben, weil einfach der Ordensnachwuchs fehlt. Ja, das macht uns traurig. Aber nachdem wir Augustinerinnen Burundi 1998 wieder verlassen haben, besteht weiterhin eine enge Verbundenheit zu den burundischen Schwestern des Ordens "Bene Umukama". Heute leben fünf dieser Schwestern bei uns in Neuss, zwar in eigener Gemeinschaft, wirken aber mit und für die Neusser Augustinerinnen. Das heißt, das Ordensleben geht auf diese Weise weiter.
Frage: Wie alt waren Sie, als Sie in den Orden eingetreten sind?
Schwester Celina: Ich bin mit 17 Jahren bei den Neusser Augustinerinnen ins Kloster eingetreten und wollte genau wie sie nach dem Evangelium leben und den Menschen helfen. Nach einem halben Jahr Probezeit und zwei Jahren Noviziat habe ich bei der Einkleidung den Ordensnamen Celina erhalten. Das bedeutet "die Himmlische". Später habe ich noch eine Ausbildung zur Hebamme gemacht, um in dem von unseren Schwestern aufgebauten Gesundheitszentrum in Burundi in Afrika zu arbeiten. 18 Jahre habe ich dort gewirkt. Diese Arbeit hat mich sehr erfüllt. Nun feiere ich mein Eisernes Ordensjubiläum, denn ich bin seit 65 Jahre im Kloster und habe keinen einzigen Tag bereut, Augustinerin zu sein.
Frage: Was macht für Sie das Besondere Ihres Ordens aus – als Augustinerin?
Schwester Celina: Das Besondere ist für mich das Gemeinschaftsleben. Alles, was die Einzelnen in der Gemeinschaft ausmacht und was miteinander geteilt wird, bereichert die Gemeinschaft. Gebet und Eucharistie, Bibel und gemeinschaftliches Leben prägen unseren Alltag. Auch das Leben nach der Ordensregel des Heiligen Augustinus begeistert mich. In seinem bekanntesten Werk, seiner Autobiographie, den "Bekenntnissen", steht der Satz: "Du hast mein Herz mit deinem Wort getroffen, und von da an liebte ich dich". Das Hören auf das Wort Gottes ist uns sehr wichtig. So wie der heilige Augustinus sich immer wieder dem Wort Gottes aussetzte, um sich davon verwandeln zu lassen, so pflegen auch wir die regelmäßige gemeinsame Begegnung mit dem Wort Gottes, um immer tiefer in eine lebendige Gottesbeziehung hineinzuwachsen. Ein wichtiger Begriff bei Augustinus ist auch die Barmherzigkeit. Das hat uns Jesus vorgelebt. Anderen zu helfen, das ist unser Lebensinhalt als Augustinerinnen. Wir versuchen für die Menschen dazu sein, ihnen zuzuhören, gemeinsam zu beten und im Kleinen Gutes tun.
„So schreibt Augustinus in seiner Regel, dass die Gemeinschaft in Frieden zusammenleben soll. Und in der Regel steht: "Zuerst sollt ihr einmütig zusammenwohnen, wie ein Herz und eine Seele auf dem Weg zu Gott".“
Frage: Papst Leo XIV. sagte bei seinem ersten Gruß an der Loggia: "Friede sei mit euch!"
Schwester Celina: Ja, das ist auch das Wichtigste. Was haben wir denn nötiger in der heutigen Welt als den Frieden? Diesen Satz hat schon Jesus zu den Jüngern gesagt, nach seiner Auferstehung, als er trotz verschlossener Türen den Jüngern erschienen ist. "Der Friede sei mit euch". Ich finde es großartig, dass das der erste Satz war, den der neue Papst uns zusagte. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen für sein Pontifikat. Das Wort "Frieden" kommt bei unserem Ordensgrüner Augustinus oft vor. So schreibt Augustinus in seiner Regel, dass die Gemeinschaft in Frieden zusammenleben soll. Und in der Regel steht: "Zuerst sollt ihr einmütig zusammenwohnen, wie ein Herz und eine Seele auf dem Weg zu Gott". Das bedeutet für mich, dass wir viel miteinander reden sollen und friedfertig einander begegnen sollen. An einer anderen Stelle in unserer Ordensregel steht der Satz: "Seid nie untereinander zerstritten. Sollte es doch einmal zum Streit kommen dann macht so schnell wie möglich Schluss damit." Das ist eine schöne Lebensweisheit. Es heißt weiter bei Augustinus: "Hütet euch also vor verletzenden Worten. Wenn sie doch gefallen sind, dann seid nicht bange, das heilende Wort mit demselben Mund zu sprechen, der die Verletzung verursachte." Es ist wichtig, einander um Entschuldigung zu bitten und sich wieder auszusöhnen. Das ist einer der schwierigsten Teile im Leben, wie ich finde.
Frage: Was wünschen Sie dem neuen Augustiner-Papst?
Schwester Celina: Ich wünsche ihm, dass er in seinem Wirken und in seinem Dienst vom Heiligen Geist beseelt wird. Und dass er das Richtige in seiner Amtszeit für die Menschheit tut. Er möge Gott und den Menschen in Liebe dienen. Wir beten für den Heiligen Vater und für die, die mit ihm gemeinsam die katholische Kirche gestalten.