Wo Papst Leo XIV. Bischof war – Prevost packt an

In Peru herrscht Ausnahmezustand. "Die Wahl von Papst Leon wurde hier aufgenommen, als hätte Peru die Fußball-Weltmeisterschaft gewonnen", erzählt Jürgen Huber am Tag danach. Er leitet das Partnerschaftsbüro der Erzdiözese Freiburg in der peruanischen Hauptstadt Lima. "Die Freude ist riesig, die Menschen sind begeistert, dass ihr 'einfacher' Bischof aus Chiclayo jetzt plötzlich Papst geworden ist." Der gebürtige Badener Huber lebt seit 42 Jahren in Peru. Wenn er vom Papst spricht, sagt er auf Spanisch "Leon".
Auf der Weltbühne steht das Geburtsland des neuen Papstes im Mittelpunkt: Zum ersten Mal wurde ein US-Amerikaner zum Nachfolger Petri gewählt. In Peru sieht man das anders: Hier ist der Papst eindeutig einer von ihnen. "Das hat man auch bei seiner ersten Ansprache gemerkt: Als er sich an seine Leute daheim gewandt hat, da hat er sich nicht an die Katholiken in Chicago auf englisch gewandt, sondern spanisch mit den Leuten aus Chiclayo gesprochen", berichtet Huber. Die Menschen haben gute Erinnerungen an ihn, er galt als einfach, bodenständig und schlicht: "Er war jetzt nicht besonders gesprächig, aber wenn man ihm eine Frage gestellt hat, wenn man etwas von ihm gebraucht hat, dann hat er sich immer sofort darum gekümmert und ist auf die Menschen eingegangen."

Bischof Robert Prevost verteilt Essen bei einer Solidaritätsaktion in Chiclayo.
Nach Studien in Chicago und Rom, drei Jahre nach seiner Priesterweihe, kam der Augustinerpater Robert Prevost schon 1985 nach Peru, zuerst als Missionar in die Territorialprälatur Chulucanas. Nur für ein Jahr kehrte er danach in seine Heimat, den US-Bundesstaat Illinois als Missionsdirektor seiner Ordensprovinz zurück, um dann zehn Jahre lang Leiter des gemeinsamen Ausbildungsprojekts für Augustiner-Aspiranten aus den Vikariaten Chulucanas, Iquitos und Apurímac im Erzbistum Trujillo in Peru zu werden. 1998 kehrte er nach Chicago zurück und wurde Prior der dortigen Ordensprovinz, 2001 wurde er als Generalprior in Rom Leiter des weltweiten Augustinerordens.
Als Bischof nah bei den Menschen
Zurück nach Peru ging es 2014: Papst Franziskus schickte ihn als Apostolischen Administrator nach Chiclayo im Norden Perus an der Pazifikküste. 2015 wurde Prevost Diözesanbischof von Chiclayo. In diesem Jahr nahm er auch die peruanische Staatsbürgerschaft zusätzlich zu seiner US-amerikanischen an. Das 1956 errichtete Bistum Chiclayo besteht aus 50 Pfarreien, gut 1,1 Millionen Katholiken leben dort, davon 90 Diözesan-, 20 Ordenspriester und 180 weitere Ordensleute. In Chiclayo war Prevost Bischof, bis ihn Papst Franziskus 2023 zum Präfekten des Bischofsdikasteriums berief.
Er selbst hat einmal auf die Zeit in Peru als eines der größten Geschenke, die ihm der Herr gemacht habe, und einen großen Schatz bezeichnet. Als ihn der Papst nach Rom geholt hat, war er davon zunächst nicht begeistert. "Am liebsten wäre ich in Chiclayo geblieben, aber man muss in allen Phasen des Lebens gehorchen", so der spätere Papst.
Bischof in Peru zu sein ist anders als in Deutschland, erzählt Pfarrer Tiberio Szeles. "Bei uns in Peru kann man Bischöfe schnell erreichen: Wer ein Anliegen hat, kann zum Bischofshaus, und wenn der Bischof da ist, dann kümmert er sich direkt um die Menschen." Szeles ist Priester der Erzdiözese Freiburg und war von 2008 bis 2019 Pfarrer der deutschen Gemeinde in Lima. Seit Januar ist er wieder in Peru. Zusammen mit Huber organisiert er dort den "Consejo Nacional" der Freiburger Peru-Partnerschaft, ein synodales Leitungsgremium, in dem Priester, Laien und Jugendliche zusammenarbeiten.

Peru spürt den Klimawandel: Extremwetter trifft das Land an der Pazifikküste hart, auch im ehemaligen Bistum von Robert Prevost
"Er identifiziert sich mit den Gläubigen in Peru, er weiß sehr genau, wie die Menschen hier leben und auch wie sie gelitten haben", berichtet Huber über Leo XIV. In seine Zeit als Bischof fallen Notsituationen für das ganze Land. Alle paar Jahre sorgt "El Niño" für Katastrophen, die das Land an der Pazifikküste treffen: "Das Meer erwärmt sich, und dann kommt es zu gewaltigen Überschwemmungen im Norden, wo Chiclayo liegt. Bei solchen Katastrophen war er für die Menschen da und hat Hilfe organisiert." Hart war auch die Zeit der Pandemie. "Drei Monate lang durften die Menschen nicht hinaus, wir hatten keine Beatmungsanlagen", erzählt Huber. "Da hat er sich dafür eingesetzt, dass die nötige Versorgung ins Land kam."
Aufräumen in einer klerikalen Kirche
Dazu kommt die Korruption im Land. Die öffentliche Infrastruktur ist schlecht. Häufig fällt die Wasserversorgung aus, das Abwassersytem funktioniert nicht, Müll wird nicht abgeholt, berichtet Huber. "Viele Menschen sind arm. Da hat Bischof Prevost ganz im Geist von Papst Franziskus die Option für die Armen gelebt und war immer für alle da, auch die ärmsten Leute." Immer wieder habe sich der Bischof auch mit mahnenden Worten an die Politik gewandt.
In sein Bistum brachte Prevost frischen Wind. "Chiclayo war früher eine Opus-Dei-Diözese. Sehr konservativ und klerikal", weiß Huber. Heute aber gebe es dort viele aktive und engagierte Laien: "Das sind alles Dinge, die Bischof Prevost hier gesät hat." Während es in Peru viele klerikalistische Priester gebe, sei das in Chiclayo anders: Vielen der jungen Priester, die in der Zeit von Prevost ausgebildet wurden, seien offen und synodal: "Das liegt daran, wie Bischof Prevost sein Priesterseminar aufgebaut und organisiert hat. Die Augustiner setzen stark auf Bildung, auch hier in Peru."
Innerhalb der Kirche habe sich Prevost damit nicht nur Freunde gemacht. Die Vorwürfe, als Bischof nicht angemessen auf Missbrauchsvorwürfe reagiert zu haben, führt Huber darauf zurück. In Peru soll Prevost Missbrauchsfälle nicht den Bestimmungen entsprechend gemeldet haben, in Chicago bei der Unterbringung eines Missbrauchstäters eine angrenzende Schule nicht berücksichtigt haben. Huber sieht die Vorwürfe nicht als stichhaltig an: Prevost habe vielmehr geholfen, in Peru aufzuräumen, wo die von Papst Franziskus aufgelöste Bewegung "Sodalitium" mächtig war. "Was ihm jetzt vorgeworfen wird, ist eine Verleumdungskamapgne, weil er als Kardinal Papst Franziskus geholfen hat, gegen das Sodalitium vorzugehen", ist Huber überzeugt. Schützenhilfe bekommt Huber dabei auch vom Missbrauchsexperten Pater Hans Zollner. Auch Zollner sieht hinter den Vorwürfen das Sodalitium, in beiden Fällen habe sich Prevost gemäß den jeweils geltenden Bestimmungen verhalten.
Hoffnung auf eine synodale Kirche – und einen Papstbesuch
Pfarrer Szeles kennt den jetzigen Papst schon länger. 2017 hat er ihn zum ersten Mal bei Einkehrtagen getroffen, die Szeles für die peruanischen Bischöfe gestaltet hat. "Im Jahr des Reformationsjubiläums", erinnert er sich: "Ich habe vor den Bischöfen, Robert Prevost war auch dabei, über die Ecclesia semper reformanda gesprochen." Auch um Martin Luther ging es, einen Augustiner – wie Prevost. Szeles habe zu dem Bischof geschaut, wie der wohl reagieren würde: "Da hat er so breit gelächelt, mit diesem einladenden Lächeln, das wir jetzt auch aus den Medien kennen." Beim Mittagessen haben sie sich dann über das Amazonasgebiet und die Umwelt unterhalten, über Reformanliegen auf der ganzen Welt und in der peruanischen Kirche. "Das sind Themen, die ihn damals schon sehr bewegt haben", so der Pfarrer.

Seit 1963 besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen der Erzdiözese Freiburg und Peru. Offiziell begründet wurde die bis heute bestehende Partnerschaft 1986. In Peru koordiniert der "Consejo Nacional" (Nationalrat der Partnerschaft) die Arbeit. Jürgen Huber (2. v.l.) ist Sekretär des Consejo Nacional und leitet das Partnerschaftsbüro in Lima, Pfarrer Tiberio Szeles ist stellvetretender Sekretär und Vikar in der Pfarrei Cristo Liberador (r.) in der Diözese Chosica.
Szeles und Huber haben beide große Hoffnungen in das Pontifikat von Leo XIV., des Peruaners Leon: So wie Prevost als Bischof sich für die Menschen in seinem Land eingesetzt habe, werde sich Leo XIV. als Papst für die Menschen auf der ganzen Welt einsetzen, ist Huber überzeugt. Den Papst sieht er als Gegenpol zum US-Präsidenten: "Trump wird sich noch wundern, was ihm der Papst zu sagen hat, etwa wenn es um Migration geht. Schon hier in Peru hat er sich für die Migranten stark gemacht." Und wie sein Namensvorgänger Leo XIII. werde sich auch Leo XIV. bestimmt für die Rechte der Arbeiter stark machen: "Deshalb setzen wir hier in Peru viel Hoffnung in ihn."
"Ich wünsche mir, dass er die synodale Kirche in Peru und auf der ganzen Welt voranbringt, und dass er die Themen Umwelt und globales Miteinander stark macht", ergänzt Szeles. "Und ich hoffe natürlich, dass er uns hier in Peru besucht."