Maria kann mehr – und muss mehr!
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Wir sind mittendrin im Marienmonat Mai. Und während einige Katholiken seit gut zwei Wochen fleißig Maiandachten besuchen, werden die meisten Gläubigen hier nur müde mit den Schultern zucken. Diese verbreitete Haltung hat ihre Gründe: Vielen Älteren sind die pathologischen Abgründe einer instrumentalisierten Marienfrömmigkeit aus der eigenen Kindheit noch lebhaft in Erinnerung.
Trotz allem setzte der neue Papst ein marianisches Ausrufezeichen an das Ende seiner ersten Ansprache: "Unsere Mutter Maria möchte immer mit uns gehen, uns nahe sein und uns mit ihrer Fürsprache und ihrer Liebe unterstützen. Deshalb möchte ich zusammen mit euch beten. Beten wir gemeinsam für diese neue Aufgabe, für die ganze Kirche und für den Frieden in der Welt und bitten wir Maria, unsere Mutter, um diese besondere Gnade." Leo XIV. schloss mit einem gemeinsamen Ave Maria.
Mit diesen kurzen Worten stellt uns der neue Papst eine Maria vor Augen, die auf der Seite aller Menschen mitgeht, mitfühlt und mitbetet. Jene, die Maria gern als himmlische Grenzbeamtin des christlichen Europas anrufen, werden damit wenig anfangen können. Enttäuschung wird sich aber auch bei jenen einstellen, die Maria nur als religiöses Abziehbild für ihre zeitgenössischen Vorstellungen à la "girlboss" tolerieren wollen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass Leo XIV. diese einzigartige Figur des Glaubens weiter konsequent in sein bereits gesetztes sozialethisches, friedensstiftendes und brückenbauendes Koordinatensystem einbauen wird. Mariologie kann so viel mehr als Geschlechterkitsch und Fetischprojektion – hier laufen die großen Fragen der Christologie, der Ekklesiologie, der Anthropologie und der Eschatologie zusammen.
Was geschieht, wenn Kirche und Gläubige das Menschsein Marias in unserer Gegenwart neu entdecken? Ein Mensch aus der vermeintlichen Peripherie, dem aus so vielen verschiedenen Richtungen heraus jeglicher Wert abgesprochen wurde? Ein Mensch, der inmitten weltlicher Zwänge und Leiden in der Gemeinschaft mit Gott Freiheit und Heilung findet? Die Kirchen- und Glaubenspraxis wäre eine andere.
Die Autorin
Valerie Judith Mitwali promoviert an der Ruhr-Universität Bochum in systematischer Theologie.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.