Standpunkt

Papst Leo XIV.: Von katholischer Farbenlehre und ersten Programmworten

Veröffentlicht am 19.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Joachim Frank – Lesedauer: 

Bonn ‐ Rote oder schwarze Schuhe? Ein goldenes Brustkreuz oder ein silbernes? Aus solchen Zeichen glauben Beobachter, Hinweise auf das Amtsverständnis von Leo XIV. ableiten zu können, so Joachim Frank. Eine eindeutige Zuordnung sei dabei aber nicht möglich.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Der Papst trägt Weiß. Das kann man – wie alles, was er tut oder lässt – symbolisch lesen: Am Beginn des Pontifikats ist der Amtsinhaber ein unbeschriebenes Blatt. Das wiederum lässt der katholischen Farbenlehre Raum: Rote Pantoffeln oder schwarze Schuhe? Ein goldenes Brustkreuz oder ein silbernes? Scharlach-Mozzetta oder weißer Schulterkragen? Aus alledem glauben versierte Zeichendeuter Hinweise auf Leos Amtsverständnis und das Verhältnis zum Programm seines Vorgängers ableiten zu können. Womöglich sagen sie damit aber mehr über sich selbst und ihre eigenen Erwartungen oder Befürchtungen als über den Papst.

Leo XIV. selbst hat – ob bewusst oder unbewusst – die Zeichen und Gesten jedenfalls so gewählt, dass sie keine eindeutige Zuordnung erlauben. Bis auf eines: Er will nicht Franziskus-Wiedergänger sein, sondern Nachfolger. Das ist klug. Dem vorigen Papst eigentümlich war die Profilbildung durch Erwartungsbruch. Disruption als Stilform lässt sich aber nicht einfach fortsetzen. Leo XIV. kann und darf es anders machen als Franziskus, ohne dass er sich damit von ihm absetzen würde.

Neben die Farbenlehre treten inzwischen die ersten Programmworte des neuen Papstes: Frieden, soziale Verantwortung, Sorge um die Armen, Weggemeinschaft und – wie in der Predigt zur Amtseinführung – Einheit. Leo XIV. lässt damit erkennen, dass er auf der Spur seines Vorgängers bleiben, den im vorigen Pontifikat gewachsenen Fliehkräften aber das Bemühen um innerkirchlichen Zusammenhalt entgegensetzen will.

Nach zwölf Jahren Einübung in ignatianischer Spiritualität und Führung unter einem Jesuitenpapst wartet der Augustinermönch Robert Francis Prevost als Papst sogleich mit geistlichen Motiven aus der eigenen Ordensüberlieferung auf. Da ist zuvorderst sein Wahlspruch aus einem Psalmkommentar des heiligen Augustinus zu nennen: "In dem, der eins ist, sind wir eins."

Ein weiteres Zitat des Bischofs und Kirchenlehrers aus dem 5. Jahrhundert hat Leo XIV. in seiner Ansprache an die zum Konklave versammelten Journalist:innen untergebracht, gerichtet gegen die – auch heute – geläufige Klage über die ach, so schlimmen Zeiten: "Lasst uns gut leben, dann sind die Zeiten gut. Wir sind die Zeiten: So wie wir sind, so sind auch die Zeiten." Als Absage an Kulturpessimismus und Bekenntnis zu einer beherzten, tatkräftigen und konstruktiven Zeitgenossenschaft könnte dies tatsächlich zu einem Programmwort werden – auch für innerkirchliche Erneuerung: Wir sind die Zeiten.

Von Joachim Frank

Der Autor

Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.