Journalist erwartet Überraschungen beim Papst

Biograf: Leo XIV. lässt sich nicht so leicht in die Karten schauen

Veröffentlicht am 24.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ Eine der ersten deutschen Biografien von Papst Leo XIV. hat Vatikan-Experte Stefan von Kempis geschrieben. Im Interview berichtet er, was er bei seinen Recherchen so alles gefunden hat – und wo er nicht weiterkam.

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Stefan von Kempis ist deutschsprachiger Redaktionsleiter bei Radio Vatikan/Vatican News. Über den neuen Papst hat er in Windeseile eine erste Biografie verfasst. Im Interview verrät er, wie das möglich war.

Frage: Papst Leo ist noch keinen Monat im Amt, und schon gibt es die ersten Biografien. Wie schafft man das als Autor?

Von Kempis: Natürlich ist eine solche erste Biografie zunächst mal der Versuch einer Annäherung an den neuen Papst. Als Autor will ich die Leser mit in das Pontifikat hineinnehmen – von der Kindheit bis zum Moment, in dem der neu gewählte Papst in die Öffentlichkeit tritt. Das ist nichts Abschließendes und auch nichts, was vom Himmel gefallen oder von oben abgesegnet wäre.

Frage: Auf welche Quellen kann sich der Autor eines solchen Buches stützen?

Von Kempis: Ich habe unter anderem mit Menschen in Peru gesprochen, wo er lange Bischof war. Und ich habe viele Interviews und Berichte aus Chicago gelesen. Zum Glück kenne ich Peru und die USA auch aus persönlicher Anschauung, da versteht man manches besser. Und ich habe mir seine alten Botschaften in den Sozialen Medien genau angeschaut.

Frage: Darauf kommen wir später zurück. Bleiben wir bei der Persönlichkeit, beim Menschen Robert Prevost. Was für ein Bild hat sich da in der Recherche ergeben?

Von Kempis: Das ist wirklich erstaunlich. Es ist etwas ähnliches passiert wie bei der Recherche zu meiner Franziskus-Biografie: Da erfährt man immer neue Details, aber am Ende bleibt doch etwas Rätselhaftes, beinahe möchte ich sagen: Widersprüchliches. Auch er ist eine Person, die man schwer fassen und festlegen kann. Alle sind sich einig, dass er ein ausgezeichneter Zuhörer ist – aber was er selbst meint, da lässt er sich nicht so leicht in die Karten schauen. Ich glaube, das wird auch für sein Pontifikat gelten. Er ist ein Überraschungspapst.

„Alle sind sich einig, dass er ein ausgezeichneter Zuhörer ist – aber was er selbst meint, da lässt er sich nicht so leicht in die Karten schauen.“

—  Zitat: Stefan von Kempis

Frage: Was zeichnet ihn charakterlich aus?

Von Kempis: Er scheint voller Energie zu sein und Ideen zu haben, die er umsetzen will. Er ist freundlich und ein guter Kommunikator.

Frage: Was hat ihn mehr geprägt, seine Zeit in den USA oder die in Peru?

Von Kempis: Ich glaube, die in Peru. Dorthin ist er ja nach seiner ersten Zeit als Missionar in Chulucanas zweimal zurückgekehrt. Einmal 1988 für zehn Jahre, und dann noch mal 2014 als Bischof. Beim zweiten Mal musste er eigentlich davon ausgehen, dass er bis zu seinem Lebensende in Peru bleiben würde.

Frage: Dann ist Peru jetzt also auch Papst?

Von Kempis: Auf jeden Fall. Und es ist gerade nicht leicht, all die Peruaner, die einem sagen wollen, dass sie ihn irgendwie schon immer gekannt hätten, von denen zu unterscheiden, die ihn wirklich dort kennengelernt haben, als er im fernen Nordwesten des Landes aktiv war.

Frage: Aber seine tiefsten Wurzeln liegen dann doch in seiner amerikanischen Familie in Chicago...

Von Kempis: Da fing alles an. Übrigens war das Verhältnis zu seinem Vater offenbar noch besser als das zu seiner Mutter – auch wenn die wegen ihrer möglichen kreolischen Herkunft jetzt besonders interessant ist. Und seine beiden älteren Brüder leben auch beide noch. Mit beiden hält er Kontakt, sie haben oft Urlaub miteinander verbracht.

Stefan von Kempis
Bild: ©privat

Stefan von Kempis ist Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News.

Frage: Wird dann John Prevost demnächst eine ähnliche Rolle haben wie einst der Papstbruder Georg Ratzinger?

Von Kempis: John Prevost ist jetzt tatsächlich relativ präsent, und wird manchmal interviewt. Aber er ist kein Geistlicher, und deshalb glaube ich nicht, dass er für das Pontifikat so wichtig sein wird wie es Georg Ratzinger für das Pontifikat von Benedikt XVI. war.

Frage: Der heutige Papst hat früher öfters getwittert, auch über die US-Politik. Ist das eine interessante Quelle für die Biografie?

Antwort: Ja, das war schon sehr spannend, das alles zu lesen und zu analysieren. Aber auch hier ergibt sich kein ganz eindeutiges Profil. Es geht mal in die eine, mal in die andere Richtung. Das gilt übrigens auch für sein "Wählerprofil" bei Vorwahlen in den USA. Da war er mal als Demokrat und mal als Republikaner registriert, daraus lässt sich letztlich auch nichts Verbindliches ableiten.

Frage: Beinahe parallel zu dieser Papst-Biografie erscheint auch die des Jesuitenpaters Andreas Battlog. Ist das nicht eine überflüssige Dopplung?

Von Kempis: Das glaube ich überhaupt nicht. Andreas Battlog ist ein scharfsinniger, vor allem theologisch denkender und analysierender Autor, der schaut dieses Leben nach ganz anderen Kategorien an als ich. Bei mir ist es der Blickwinkel des Journalisten, der versucht, den Menschen zu beschreiben, der da so überraschend Papst geworden ist.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)