Körpersprache-Experte: So sendet Papst Leo XIV. Macht-Signale

Kurz vor den Tränen oder äußerst kontrolliert, offen lächelnd oder diplomatisch zurückhaltend – wie soll man ihn einschätzen, den neuen Papst? Mit seiner Körpersprache macht Papst Leo XIV. sehr vieles richtig, sagt Körperspracheexperte Stefan Verra. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte der Autor und Redner, der neue Papst sei einerseits zugänglich, herzlich und lächle viel. Doch er müsse darauf achten, nicht arrogant zu wirken.
Papst Leo signalisiere mit seiner Körpersprache in vielen Begegnungen: "Ich bewege mich nicht auf euch zu, sondern ihr müsst euch auf mich zubewegen", sagt Verra. So demonstriere er bewusst oder unbewusst, dass er in seinem Status als Kirchenoberhaupt angekommen sei.
Macht lange eingeübt
An seiner Körpersprache lasse sich eine anfängliche Unsicherheit ablesen, wenn sich neuronale Stauenergie in leicht kauenden Bewegungen des Unterkiefers oder "kleinen Blicken, die nach links und rechts irren" offenbare. Diese neuronale Stauenergie zeige sich immer dann, wenn im Körper mehr Energie vorhanden sei, als man gerade brauche. Doch Prevost müsse aktuell erst einmal verinnerlichen, in welcher Liga er jetzt spiele: "Wer da nicht nervös ist, der hat die Dimension des Amtes nicht erkannt", so Verra.
"Leos Körpersprache zeigt: Er hat Macht sehr gut geübt", konstatiert Verra. In seiner Zeit in Südamerika und als Kardinal habe er zunehmend höhere Positionen in der Kirche ausgefüllt – das habe ihn auf seine jetzige Rolle vorbereitet.

An Leos Körpersprache lasse sich einiges ablesen, sagt Stefan Verra.
Konkret zeige sich das schon beim Händeschütteln: Wenn zwei Menschen einander treffen, beugen sie sich unbewusst ein wenig vor, erklärt Verra. Doch das tue der Papst nicht. Er bleibe ganz aufrecht stehen. Das erzeuge ein hierarchisches Verhältnis.
Verra hat das sowohl bei der Audienz des Papstes für Medienschaffende als auch bei der Begegnung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beobachtet: "Die Leute gehen auf ihn zu, auch Selenskyj beugt sich leicht vor – und Papst Leo bleibt aufrecht stehen. Das erzeugt eine Asymmetrie." Diesen Unterschied erkenne man auch im Sitzen: "Während Papst Leo ganz hinten in seinem Sessel sitzt, beide Arme auf den Armlehnen, sitzt der Präsident der Ukraine ganz vorne auf der Stuhlkante."
Diplomatisch wichtig: Äquidistanz
Diese Asymmetrie findet Verra wichtig und gewollt. Da Menschen Rudelwesen seien, die klare Verhältnisse von Über- und Unterordnung benötigten, fülle Prevost mit hierarchisch-distanziertem Verhalten genau die ihm zugedachte Rolle aus. "Wir wollen eine entrückte Person sehen, wir wollen ja gar nicht jemand sehen, der wie ein Kumpan bei uns sitzt und den Sitznachbarn auf die Schultern klopft, sondern wir wollen jemanden sehen, der uns signalisiert: Da gibt es jemanden, der uns eine Richtung vorgibt." Menschen hätten generell ein Bedürfnis nach solchen nachfolgenswerten Vorbildern.
Bei seinen Treffen mit Selenskyj und dem amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance habe der Papst es geschafft, eine Äquidistanz zu halten, also eine gleich große Distanz. "Ich glaube, das macht er ganz gut, sich nicht vereinnahmen zu lassen, selbst von noch so geschickten Menschen wie JD Vance." Es sei wichtig, dass er auch bei Selenskyj nicht besonders herzlich agiert habe – denn genau das würde weit mehr als alle Worte interpretiert werden. Für seine diplomatische Rolle, "wenn er ein Papst für die Menschheit sein will und nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe", sei es immens wichtig, dass er es schaffe, diese gleich große Distanz zu allen politischen Protagonisten zu halten. Es sei gut möglich, dass er dazu feinfühlige Berater brauche.

"Ich glaube, das macht er ganz gut, sich nicht vereinnahmen zu lassen, selbst von noch so geschickten Menschen wie JD Vance", so Verra.
Bei seinen Treffen mit Selenskyj und dem amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance habe der Papst es geschafft, eine Äquidistanz zu halten, also eine gleich große Distanz. "Ich glaube, das macht er ganz gut, sich nicht vereinnahmen zu lassen, selbst von noch so geschickten Menschen wie JD Vance." Es sei wichtig, dass er auch bei Selenskyj nicht besonders herzlich agiert habe – denn genau das würde weit mehr als alle Worte interpretiert werden. Für seine diplomatische Rolle, "wenn er ein Papst für die Menschheit sein will und nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe", sei es immens wichtig, dass er es schaffe, diese gleich große Distanz zu allen politischen Protagonisten zu halten. Es sei gut möglich, dass er dazu feinfühlige Berater brauche.
Doch so wichtig die auch körperlich ausgedrückte Distanz auf der einen Seite sei, müsse Leo auf der anderen Seite aufpassen, nicht desinteressiert zu wirken: "Wenn Sie mir die Hand schütteln und auf mich zukommen, ich aber ganz aufrecht stehen bleibe und keinerlei Bewegung auf Sie zu mache, dann ist das knapp an der Arroganz", so Verra. Das lasse man ihm nur wegen seines Amtes durchgehen. Verras Tipp an den Papst: humorvoll bleiben und keinesfalls das Lächeln vergessen.
Spitzbübisches Lächeln, dynamischer Auftritt
Dieses päpstliche Lächeln hält Verra für bemerkenswert, denn er lächle asymmetrisch. Sein rechter Mundwinkel gehe meist etwas mehr nach oben als sein linker. Das könnte körperliche Gründe haben, sagt Verra. So gab es bereits Spekulationen darüber, Prevost habe als Kind einen Unfall gehabt und könne seitdem nur unter Schmerzen lachen. Wie auch immer – Papst Leos asymmetrisches Lächeln habe etwas Spitzbübisches, Verschwörerisches, so Verra.
Aus seiner Sicht ist es wichtig, dass Papst Leo Dynamik mit ins Amt bringt. Am Ende der Audienz für die Medienschaffenden sei er die Treppe fast heruntergelaufen. "Ich glaube, es ist dringend nötig, dass die Kirche und vielleicht sogar die ganze Menschheit jetzt eine entrückte Persönlichkeit hat, die auch Dynamik zeigt", sagte der Körpersprachenkenner. Seine dynamische Körpersprache und seine humorvolle und herzliche Art der Begegnung, etwa mit Tennisprofi Jannik Sinner, erschlössen ihm auch einen Zugang zur jungen Generation. "Es darf nur nicht zu dynamisch werden", warnt Verra.
Denn zu viel Dynamik gefährde das Konstrukt des Entrückten. In dieser Hinsicht sei der vielfach diskutierte Friedensgipfel im Vatikan "nicht ungefährlich". Wenn das Entrückte in die Tagespolitik hineinkomme, verschwinde es.