"Papst Leo wird die beständige Linie des Heiligen Stuhls beachten..."

Staatskirchenrechtler: Vatikan steht für neutrale Diplomatie

Veröffentlicht am 22.05.2025 um 10:24 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Papst Leo XIV. hat den Vatikan als Ort für Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Das wäre eine gute Wahl, meint ein Staatskirchenrechtler. Aber es gibt auch Skepsis.

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Der Staatskirchenrechtler Stefan Mückl hält die neutrale Vermittlerrolle des Vatikans in möglichen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine für gesichert. "Papst Leo wird die beständige Linie des Heiligen Stuhls beachten, nämlich strikte Neutralität, ohne eine möglicherweise bestehende innere Präferenz erkennen zu geben", sagte er dem kirchlichen Internetportal "domradio.de" (Donnerstag). Das Kirchenoberhaupt werde sich bemühen, den Frieden durchzusetzen.

Das Geheimnis und der Erfolg des Vatikans bestehen nach Mückls Worten darin, streng neutral zu sein. "Das war die Linie, die im Ersten Weltkrieg Benedikt XV. verfolgt hatte, im Zweiten Weltkrieg Pius XII. In beiden Fällen haben gleichwohl Konfliktparteien die Neutralität des Papstes in Zweifel gezogen." Dies sei auch bei Franziskus geschehen, "wo es Stimmen gab, dass er nicht neutral sei".

Der Heilige Stuhl habe über die Jahrhunderte hindurch immer wieder in bewaffneten Konflikten vermittelt. "Weil er streng neutral ist, weil er auch keine weltliche Macht (mehr) hat, eignet er sich dadurch ganz besonders als Vermittler." Der Papst sei heute eine weltweit geachtete moralische Instanz, keine relevante politische Größe wolle es sich mit ihm und dem Heiligen Stuhl verscherzen, so der Priester und Professor für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. Deshalb habe der Heilige Stuhl sehr große informale Macht. "Die Zeiten, in denen Stalin spöttisch fragte, wie viele Divisionen der Papst habe, sind vorbei."

Ukraine kritisierte Franziskus

Kritischer hatte sich am Mittwoch die Ostkirchen-Expertin Regina Elsner geäußert. Zwar habe der Vatikan im Krieg zwischen beiden Staaten keine politischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen und sei insofern "sicher ein guter Partner", sagte die Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster "domradio.de". Und es gebe Chancen, dass die Kirchenzentrale gemeinsam mit Italien als neutraler Verhandlungsort akzeptiert werde.

Andererseits habe Papst Franziskus in den letzten Jahren seines Pontifikats wegen seiner wohlwollenden Haltung gegenüber Moskau viel Glaubwürdigkeit verspielt. "Denn er hat immer wieder versucht, deutlich zu machen, dass in Russland noch nicht alles verloren ist, dass auch dort viele Chancen bestehen würden, dass Russland teilweise vielleicht berechtigte Interessen haben könnte", so Elsner. Dies habe man ihm in der Ukraine sehr übelgenommen und gehe "in die Richtung der moralischen Nicht-Neutralität". (KNA)