Namen und Termine kursieren schon – doch Moskau mauert

Wird bald im Vatikan über Frieden in der Ukraine verhandelt?

Veröffentlicht am 23.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Rund 45 Jahre ist es her, seit im Vatikan Friedensverhandlungen zwischen zwei verfeindeten Staaten geführt wurden. Damals waren sie erfolgreich. Ob der neue Papst Leo XIV. daran anknüpfen kann, ist Gegenstand von Spekulationen.

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In Rom verdichten sich Anzeichen für eine mögliche Vermittlerrolle des Heiligen Stuhls im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Ein Bericht des "Wall Street Journal" benannte sogar schon die Zusammensetzung einer möglichen US-Delegation unter Führung von Außenminister Marco Rubio – und brachte als einen möglichen Termin für den Verhandlungsbeginn "Mitte Juni" ins Gespräch.

Unterdessen listet die römische Zeitung "Il Messaggero" bereits die Namen auf, die von vatikanischer Seite mutmaßlich dabei sein sollen. Dies sind neben Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der in den vergangenen Tagen Gespräche bei der UNO in New York führte, und seinem Außenminister, Erzbischof Richard Gallagher, auch zwei fließend Russisch sprechende Vatikandiplomaten. Der eine stammt aus Lettland und heißt Antons Prikulis.

Parolin hat Prikulis unlängst aus Kanada nach Rom geholt; bei der Ermöglichung des Treffens Trump – Selenskyj am Rande der Papst-Trauerfeier am 26. April soll er eine wichtige Rolle gespielt haben. Weitere Schlüsselfiguren sind der aus Litauen stammende Nuntius in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, und sein Kollege in Moskau, Erzbischof Giovanni d'Aniello. Beide waren effizient bei den Gesprächen über Gefangenenaustausche zwischen Kiew und Moskau.

Treffen am Rand der Amtseinführung

Auslöser der Spekulationen sind Begegnungen und Telefonate, die es im Umfeld der Amtseinführung von Leo XIV. am 18. Mai im Vatikan sowie in Rom am Sitz von Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni gegeben hatte. Daran waren Spitzenpolitiker aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien ebenso beteiligt wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Vizepräsident JD Vance.

Vier Wochen zuvor hatte der Vatikan am Rande des Requiems für Papst Franziskus eindrucksvoll bewiesen, dass er als Ort für diplomatische Begegnungen der besonderen Art taugt. Die Bilder des ausführlichen Gesprächs zwischen Trump und Selenskyj in einem Seitenschiff des Petersdoms gingen um die Welt.

Auch Leo XIV. persönlich hat im Umfeld seiner Amtseinführung mit mehreren möglichen Beteiligten gesprochen. Allerdings fehlt bislang der wichtigste Teilnehmer einer möglichen Verhandlungsrunde: ein hochrangiger Vertreter Russlands.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Papst Leo XIV. empfing den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj mit seiner Frau Olena Selenska nach seiner Amtseinführung.

Bei den Papstfestspielen der vergangenen Wochen war Moskau nie mit Spitzenvertretern anwesend; zur Amtseinführung des Papstes kam lediglich der Botschafter. Und die Spekulationen um mögliche Verhandlungen kommentierte Putins Sprecher Dimitri Peskow bislang nur in dem Sinn, dass man die Bereitschaft des Vatikans zur Kenntnis genommen habe. Am Donnerstag dementierte Peskow dann, dass es bereits Vereinbarungen über Verhandlungen in Rom gebe.

Sollte es dennoch dazu kommen, könnte die älteste Diplomatie der Welt an alte Erfolge anknüpfen. Zuletzt hatte Johannes Paul II. 1980 durch einen Schiedsspruch den schwelenden Krieg zwischen Argentinien und Chile um den Beagle-Kanal beilegen können. Er bildete die Grundlage für den 1984 unterzeichneten Friedensvertrag der beiden Nachbarländer. Vorausgegangen waren ab 1979 Verhandlungen von Delegationen beider Länder in der Casina Pio IV. in den vatikanischen Gärten, wo sich sonst Mitglieder der Päpstlichen Akademien zum gelehrten Austausch treffen.

Etwa hundert Jahre zuvor hatte Papst Leo XIII. im Streit zwischen Spanien und Deutschland um die Karolinen-Inseln im Pazifik erfolgreich vermittelt. Der Schiedsspruch des Papstes 1885 verhinderte einen Kriegsausbruch. Er knüpfte damit an Traditionen aus dem 15. Jahrhundert an, als Alexander VI. zwischen Spanien und Portugal vermittelte – woraus 1494 der Vertrag von Tordesillas hervorging. Er regelte die Aufteilung Südamerikas zwischen den beiden Kolonialmächten.

Tragende Rolle Italiens

Anders als damals würde bei internationalen Verhandlungen im Vatikan diesmal das Nachbarland Italien eine wichtige Rolle spielen. Die Regierung Meloni müsste dafür sorgen, dass die Delegationen ungehindert von den römischen Flughäfen zum neutralen vatikanischen Staatsgebiet durchfahren können – selbst wenn international gesuchte Kriegsverbrecher darunter wären.

Finanziell und logistisch könnte der winzige Vatikanstaat ohne Italiens Hilfe ohnehin keine neue diplomatische Sternstunde des Papsttums zuwege bringen. Da aber auch die Italienische Republik durch ein solches Ereignis große Prestigegewinne erzielen würde, ist deren Hilfe sicher. Bisweilen scheint es sogar, als sei die Regierung Meloni noch aktiver und kreativer bei der Vorbereitung der bislang bloß hypothetischen Verhandlungen als der Vatikan selbst.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)